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Horticulture
Monografie über einige tropische Gemüsearten unter besonderer Berücksichtigung der Blattnutzung

Monografie über einige tropische Gemüsearten unter besonderer Berücksichtigung der Blattnutzung
Kleinhenz, V., 1991
Technische Universität München-Weihenstephan, Freising


Monografie über einige tropische Gemüsearten unter besonderer Berücksichtigung der Blattnutzung

T E C H N I S C H E  U N I V E R S I T Ä T  M Ü N C H E N
Fakultät für Landwirtschaft und Gartenbau
Freising - Weihenstephan

 

L e h r s t u h l  f ü r  G e m ü s e b a u
Leiter: Prof. Dr. W. H. Schnitzler

 

Monografie über einige tropische Gemüsearten
unter besonderer Berücksichtigung
der Blattnutzung

 

SEMINARARBEIT
von
Volker Kleinhenz

 

Betreuung: Dr. Ruth Habegger
13. Juni 1991

 

Inhaltsverzeichnis

 

 

 

1. ALLGEMEINER TEIL

1

 

 

1.1. Klassifizierung und Definition

1

 

 

1.2. Bedeutung für Ernährung und Gesundheit

3

1.2.1. Ernährungsprobleme in den Tropen

3

1.2.2. Der ernährungsphysikalische Wert von tropischem Blattgemüse

6

 

 

1.3. Anbauweisen von tropischem Blattgemüse

9

 

 

1.4. Nacherntebehandlung und Aufbereitung

12

 

 

1.5. Zubereitung

13

 

 

1.6. Wirtschaftliche Bedeutung

13

 

 

1.7. Zukunftsaussichten

16

 

 

2. SPEZIELLER TEIL

18

 

 

2.1. Botanische Benennung und Volksnamen

18

 

 

2.2. Genetische Ursprungsgebiete

18

 

 

2.3. Corchorus olitorius L. (Tiliaceae)

20

2.3.1. Herkunft und Verbreitung

20

2.3.2. Morphologie

21

2.3.3. Standortansprüche

24

2.3.4. Physiologie

25

2.3.5. Züchtung

27

2.3.6. Kultivierung

28

2.3.7. Ernte und Ertrag

31

2.3.8. Düngung

32

2.3.9. Saatguterzeugung

33

2.3.10. Krankheiten und Schädlinge

35

2.3.11. Sonstige Nutzungsmöglichkeiten

36

 

 

2.4. Hibiscus sabdariffa L. var. sabdariffa (Malvaceae)

37

2.4.1. Herkunft und Verbreitung

37

2.4.2. Botanische Klassifizierung

38

2.4.3. Morphologie

40

2.4.4. Standortansprüche

42

2.4.5. Physiologie

43

2.4.6. Kultivierung

45

2.4.7. Ernte und Ertrag

48

2.4.8. Düngung

49

2.4.9. Saatguterzeugung

49

2.4.10. Krankheiten und Schädlinge

49

2.4.11. Sonstige Nutzungsmöglichkeiten

51

 

 

2.5. Solanum nigrum var. guineense L. (Solanaceae)

52

2.5.1. Herkunft und Verbreitung

52

2.5.2. Morphologie

53

2.5.3. Standortansprüche

55

2.5.4. Physiologie

56

2.5.5. Kultivierung

56

2.5.6. Ernte und Ertrag

57

2.5.7. Saatguterzeugung

58

2.5.8. Krankheiten und Schädlinge

58

2.5.9. Sonstige Nutzungsmöglichkeiten

59

 

 

2.6. Cucurbita moschata (Duch., ex Lam.) Duch.,ex Poir (Cucurbitaceae)

60

2.6.1. Herkunft und Verbreitung

60

2.6.2. Morphologie

61

2.6.3. Standortansprüche

64

2.6.4. Züchtung und Sorten

64

2.6.5. Kultivierung

65

2.6.6. Ernte und Ertrag

67

2.6.7. Saatguterzeugung

67

2.6.8. Krankheiten und Schädlinge

68

2.6.9. Sonstige Nutzungsmöglichkeiten

69

 

 

2.7. Momordica charantia L. (Cucurbitaceae)

70

2.7.1. Herkunft und Verbreitung

70

2.7.2. Morphologie

71

2.7.3. Standortansprüche

73

2.7.4. Kultivierung

74

2.7.5. Ernte und Ertrag

75

2.7.6. Krankheiten und Schädlinge

76

2.7.7. Sonstige Nutzungsmöglichkeiten

76

 

 

3. Zusammenfassung

78

 

 

4. Literaturverzeichnis

79

 

1. ALLGEMEINER TEIL

 

1.1. Klassifizierung und Definition

 

Die Klassifizierung von Gemüsen ist schon aufgrund der ausgesprochenen Vielfalt an Arten und Sorten problematisch. In Europa gliedert man im EG-Sortenkatalog oder in der Beschreibenden Sortenliste des Bundessortenamts der Bundesrepublik Deutschland nach der Nutzung seiner Organe und unterscheidet so z.B. Wurzelgemüse von Fruchtgemüsen oder Blatt-/Stielgemüsen. Traditionelle Klassifizierungen in Handel und Haushalten differenzieren nach Kulturmethoden Fein- und Grobgemüse oder entsprechend der Verarbeitungsweise Industriegemüse und Gemüse für den Frischmarkt. In der Wissenschaft letztendlich findet eine Unterteilung entsprechend des botanischen Systems nach Pflanzenfamilien Anwendung, um den pflanzenbaulichen Ansprüchen der Gemüsepflanze Rechnung zu tragen.

 

Gemeinsame Basis aller Klassifizierungsschemata sind bis auf wenige Ausnahmen Arten und Sorten, die, gleichgültig ob im erwerbsmässigen Anbau oder im Hausgarten kultiviert, in den Listen und Katalogen der eingangs erwähnten Institutionen beschrieben sind. Gesetzliche Bestimmungen regeln, dass nur diese Varietäten im Handel vertrieben werden dürfen.

 

Will man obige Muster auf die Nutzung von Pflanzen in der tropischen Klimazone übertragen, trifft man schon allein aus Gründen der hohen genetischen Variabilität auf Schwierigkeiten. Dazu stellt Tabelle 1 als Beispiel die Anzahl aller der in Deutschland klassifizierten Gemüsepflanzen mit der (geschätzten) Anzahl von tropischen Gemüsen mit essbaren Blättern gegenüber:

 

 

Bundesrepublik

alle Gemüse

Tropen

Blattgemüse

Familien

16

125

Arten

60

700 - 1000

davon:

600 - 800

wild gesammelt

Tab. 1. Anzahl klassifizierter Gemüsepflanzen (nach FRITZ, 1989 und GRUBBEN, 1977)

 

Nicht nur die Artenfülle, sondern auch der unterschiedliche Grad der Domestikation lässt es sinnvoll er-scheinen, für tropische Gemüse eine andere Form der Einteilung zu finden:

 

Entsprechend Domestikationsstufen können zusammenfassend 4 Klassen von Gemüsen unterschieden werden (nach BRÜCHER, 1977; RICE, 1986 und GRUBBEN, 1977):

 

1.    Wildpflanzen
Eingeborene Pflanzen, die meist lokal als Gemüse gesammelt werden.

 

2.    Unkrautpflanzen

Pflanzen, die sich optimal an die vom Menschen geschaffene Umwelt angepasst haben und lokal als Gemüse gesammelt werden.

 

3.    Nutzpflanzen
Einheimische Pflanzen, die oft gesammelt, aber auch in verschiedenen Intensitätsstufen kultiviert werden.

 

4.    Kulturpflanzen
Meist eingeführte und auf wichtige Merkmale selektierte, intensiv angebaute Gemüse.

 

Diese Klassifizierung lässt noch unberücksichtigt, dass viele Arten entsprechend ihres Verwendungszwecks einzuteilen sind. Besonders bei Arten aus den ersten drei Kategorien werden gleiche oder andere Pflanzenteile in verschiedenen Entwicklungszuständen als Öllieferant (Samen), Stärkelieferant (Knollen), Obst (Früchte) und Gewürz, aber auch als Rohstoff für technische Verarbeitung (Fasern) genutzt. Eine Verwendung als Gemüse ist dann oft nur sekundärer Art.

 

Die hier vorzustellenden Gemüse können entsprechend des Domestikationsgrads den Nutzpflanzen, eine Art auch den Unkrautpflanzen zugerechnet werden. Verwendung finden Früchte, Samen und Fasern zu verschiedenen Zwecken, die zu diskutierende Nutzung als Gemüse beruht jedoch gemeinsam bei allen Arten auf den dunkelgrünen Blättern, die ziemlich einheitlich in ihrem Nährwert, auf gleiche Weise zubereitet und konsumiert werden.

 

1.2. Bedeutung für Ernährung und Gesundheit

 

1.2.1. Ernährungsprobleme in den Tropen

 

Noch bis Mitte der 70er Jahre war in den Weltorganisationen für Ernährung und Landwirtschaft die These vertreten worden, dass das Kernproblem der Mangelernährung in der "Dritten Welt", deren Staaten zu einem grossen Teil im tropischen Gürtel (ungefähr 20-25° nördlicher bis südlicher Breite) liegen, in einer ungenügenden Zufuhr an Proteinen begründet ist.

 

Auf der Welternährungskonferenz 1974 wurde dann auf Basis einer Studie von WHO und FAO dies dahingehend berichtigt, dass man nunmehr den Energiebedarf als entscheidendes Kennzeichen zur Bewertung der Ernährungssituation von Gesellschaften hernimmt und davon ausgeht, dass bei ausreichendem Energieangebot auch automatisch der Bedarf an Proteinen und anderer Nährstoffe gedeckt sei.

Ausdrücklich wurden zwei Gesellschaftsgruppen von diesem Schema ausgenommen und zwar:

 

1.      Kinder, Schwangere und stillende Mütter.

2.      Gesellschaften, deren Ernährung weitgehend auf eiweissarmen Kohlenhydratträgern wie Knollen, Wurzeln, Kochbananen und Getreiden basiert.

 

Die Ernährung letzterer Gruppe besteht im allgemeinen aus einer billigen, magenfüllenden Hauptnahrung, in der neben Proteinen besonders auch nichtenergieliefernde Nährstoffe fehlen. In Analysen zu Welternährungsmustern werden diese Gesellschaften als "schlechter-nährt" eingestuft und entsprechend Art der Hauptnahrung in zwei Cluster aufgeteilt (CREMER, 1983):

 

1.      Schlechternährte Gesellschaften auf Kassava-Basis in Schwarzafrika.

2.      Schlechternährte Gesellschaften auf Getreidebasis in Afrika und Fernost.

 

Die regionale Verteilung stellt die flächenmässige Bedeutung dieser beiden Ernährungsmuster in der Welt heraus und zeigt die Konzentration auf den Gürtel des Tropenklimas (Abb. 1).

 

Description: Monografie über einige tropische Gemüsearten unter besonderer Berücksichtigung der Blattnutzung_Pic6

Abb. 1. Regionale Verteilung von "schlechternährten" Gesellschaften (nach CREMER, 1983 und REHM, 1984).

 

Später soll gezeigt werden, dass besonders diese Zonen Ursprungs- und Verbreitungsgebiete von Gemüsen mit traditioneller Blattnutzung sind.

 

Wie bereits angedeutet, steht einer abwechslungsreichen Kost in den gemäßigten Breiten eine eher einseitige Ernährung in tropischen Gesellschaften gegenüber. Abb. 2. bestätigt das Übergewicht von Kohlenhydratspendern an der Gesamtdiät. Speziell gilt für Blattgemüse, dass diese als gewöhnliches Nahrungsmittel in westlichen Ländern, in den Tropen absolut weniger, aber auch weit unregelmässiger konsumiert werden (OOMEN, 1978).

 

In den mittleren und südlichen Landesteilen des westafrikanischen Ghana basiert die Grundernährung überwiegend auf den stärkeliefernden Pflanzen Yam, Kassava und Kochbananen (Plantanen). Zu dem Nationalgericht "Fufu", einem gestampften, festen Brei aus gekochtem Yam, Kassava und Plantanen, werden in einer scharfen, mit viel Palmöl zubereiteten Sosse meist nur wenige Gemüse wie Tomaten, Eierfrüchte, Okra und noch seltener Blattgemüse beigefügt. Besonders in dichtbesiedelten, städtischen Gegenden und zur winterlich Trockenzeit (November-April) sind diese Gemüse nur schwer erhältlich und teuer. So werden also Nahrungsmittel bevorzugt, die billig und magenfüllend sind.

 

Description: Monografie über einige tropische Gemüsearten unter besonderer Berücksichtigung der Blattnutzung_Pic7
Abb. 2. Tägliche Pro-Kopf-Nahrungsversorgung in kg/Jahr·Person; (Durchschnitt 1986-1988; FAO, 1989)

 

Hauptgerichte der in der Küstenzone um die Hauptstadt Accra beheimateten ethnischen Gruppe der "Ga-Adangbe", sind ein Ausdruck dieses Verhaltens: "Banku", eine Mahlzeit aus aufgekochtem Kassava-Pulver und "Kenkey", hergestellt aus fermentiertem Kassava und mit viel Pfeffer von Capsicum-Arten gereicht, sind oft einzigstes Nahrungsmittel während eines ganzen Tages.


Inwieweit Blattgemüse einen Beitrag dazu bieten können, eine mangelnde Zufuhr an Proteinen und Mikronährstoffen, die aus den Ernährungsweisen der oben beschriebenen Gesellschaften und Risikogruppen resultiert, auszugleichen, soll im weiteren beantwortet werden.

 

1.2.2. Der ernährungsphysikalische Wert von tropischem Blattgemüse

 

Die Blätter dunkelgrüner Gemüsepflanzen sind in erster Linie Organe der Photosynthese und Transpiration und dienen dem Aufbau der gesamten Pflanze. Generell zeichnen sie sich durch einen hohen Wassergehalt von 75-95% des Gesamtgewichts aus und enthalten, besonders in dem direkt unter der Epidermis der Blattoberseite liegenden Palisadenparenchym, Chloroplasten. Diese tragen als Organe der Photosynthese neben den lichtwirksamen Pigmenten ausserdem ernährungswissenschaftlich wertvolle Karotinoide sowie Stärke- und Proteinpartikel.

 

Im Eiweißgehalt bedeutender ist das Cytoplasma der Blattzellen. Der "Zellsaft" und die in ihm liegenden Membranräume wie z.B. Vakuolen, enthalten zahlreiche gelöste Ionen, die in der Ernährung als Mikronährstoffe bezeichnet werden. Teilweise sind aber auch toxische Substanzen wie Blausäure oder Oxalsäuren eingelagert, die eine Gefahr bei der menschlichen Ernährung spielen können.

 

Oft wird die Ansicht vertreten, daß wildgesammelte oder kaum in Kultur genommene tropische Gemüse den Zuchtsorten der gemässigten Breiten hinsichtlich innerer Qualität oder Wertigkeit unterlegen seien. Das durchaus das Gegenteil Realität ist, soll mit Hilfe der RINNO-Formel gezeigt werden: Basierend auf durchschnittlichen Ernährungsempfehlungen in Westeuropa errechnet sich ein "Wesentlicher Nährwertfaktor" (WNF); (engl.: Average Nutritive Value, ANV) für Gemüse, der zwar entsprechend unterschiedlicher Ernährungs- und Zubereitungsweisen variiert werden müsste, als modellhaftes Hilfsmittel aber durchaus relevant ist (GRUBBEN, 1977):

 

Description: Monografie über einige tropische Gemüsearten unter besonderer Berücksichtigung der Blattnutzung_Pic8
Abb. 3. "Wesentlicher Nährwertfaktor" für Gemüse (GRUBBEN, 1977).

 

Der WNF-Wert kann einerseits auf die Frischsubstanz und andererseits auf die Trockensubstanz bezogen werden, wobei letztere Methode die unterschiedlichen Wassergehalte der verschiedenen Gemüsearten mit berücksichtigt. Zu bedenken ist aber, daß der Gehalt an Trockensubstanz entscheidend von Sorte (Herkunft), Klima- und Bodenfaktoren, Kultur- und Erntemethode sowie Lagerung der Gemüse abhängig ist. Tab. 2. vergleicht die hier vorzustellenden tropischen Blattgemüse mit einer Auswahl europäischer Gemüsearten.

 

Gemüseart

Trocken-

Roh-

Energie

Protein

Ca

Fe

Karotin

Vit.

W N F

W N F

 

substanz

faser

 

 

 

 

 

C

Frisch-

Trocken‑

 

%

g

kJ

g

mg

mg

mg

mg

gewicht

gewicht

1. Gemüse aus

gemäßigten

Breiten

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Blumenkohl

8,4

0,9

95

2,5

20

0,6

0,03

73

5,1

60,5

Chicorée

5,6

0,9

46

1,3

26

0,7

1,30

10

3,3

59,1

Endivie

5,7

0,8

51

1,8

54

1,4

1,10

9

3,6

63,0

Erbse

22,7

2,2

350

6,6

24

1,8

0,40

25

5,0

22,0

Feldsalat

6,6

0,8

54

1,8

35

2,0

3,90

35

7,8

118,2

Möhre

11,8

1,1

110

1,0

41

2,1

12,00

7

14,9

126,4

grüne Bohne

9,7

1,3

155

2,4

57

0,8

0,30

20

3,6

36,8

Grünkohl

13,7

1,7

123

4,3

212

1,9

4,10

105

14,1

103,1

Gurke

3,2

0,5

54

0,6

15

0,5

0,20

8

1,5

46,9

Kohlrabi

8,4

1,1

103

1,9

68

0,9

0,20

63

5,6

66,4

Kopfsalat

5,0

0,6

44

1,3

37

1,1

0,80

13

3,0

59,4

Porree

11,0

1,3

105

2,2

87

1,0

0,50

30

4,7

42,5

Meerrettich

23,4

2,8

251

2,8

105

1,4

0,02

114

10,3

43,9

Paprika

9,0

2,2

83

1,2

11

0,8

0,60

139

10,3

114,0

Petersilie

12,0

1,5

255

4,4

245

5,5

7,30

166

22,3

185,8

Rettich

6,5

0,7

39

1,1

33

0,8

0,02

27

2,8

43,1

Rhabarber

5,5

0,8

46

0,6

52

0,5

0,07

10

2,1

38,9

Rosenkohl

15,0

1,5

147

4,5

31

1,1

0,40

114

8,5

56,4

Rote Rübe

11,2

1,0

170

1,5

29

0,9

0,01

10

2,3

20,1

Rotkohl

8,2

1,1

84

1,5

35

0,5

0,03

50

4,2

51,6

Schnittlauch

16,7

2,3

230

3,6

129

1,9

0,30

47

7,2

43,1

Schwarzwurzel

21,4

2,3

57

1,4

53

3,3

0,02

4

4,7

22,0

Sellerie

11,4

1,2

89

1,6

68

0,5

0,02

8

2,6

22,4

Spargel

6,4

0,8

57

1,9

21

1,0

0,03

21

2,6

40,5

Spinat

8,4

0,6

60

2,5

126

4,1

4,20

52

10,7

127,5

Tomate

5,8

0,8

71

1,0

14

0,5

0,80

24

3,2

55,0

Weisskohl

7,9

1,5

93

1,4

46

0,5

0,04

46

4,5

57,6

Wirsing

10,0

1,2

130

3,0

47

0,9

0,04

45

4,4

44,1

Zwiebel

12,4

0,8

132

1,3

31

0,5

0,03

9

1,8

14,8

2. Tropische

Blattgemüse

 

 

 

 

 

 

 

 

 

 

C.    olitorius

15,9

1,7

180

5,6

270

7,7

7,90

55

18,9

118,9

H. sabdariffa

13,6

1,3

184

1,9

116

1,5

7,60

35

12,6

92,4

S. nigrum

15,0

1,1

184

4,6

215

4,2

1,70

30

8,6

57,0

C. moschata

7,4

1,6

88

3,0

40

2,1

1,90

10

5,5

73,6

M.   charantia

15,4

1,6

184

5,6

290

5,0

5,10

170

20,6

133,8

Tab. 2. Nährwerte verschiedener Gemüsearten (SOUCI, 1989; FRITZ, 1989; RICE, 1987 und OOMEN, 1978).

 

Die beschränkte Aussagekraft des WNF-Faktors macht es nötig, auf einzelne wichtige Nährstoffe dunkelgrüner Blattgemüse mit ihrer Bedeutung in mangelernährten Gesellschaften näher einzugehen:

 

Protein

Tropische Blattgemüse besitzen meist einen höheren Gehalt an Eiweissen als "typische" eiweißliefernde Gemüse wie Leguminosen. Ein häufig begangener Fehler ist es, den Proteingehalt von Leguminosen auf die Trockensubstanz (z.B. getrocknete Bohnen) und den von Blattgemüsen auf das frische Produkt zu beziehen und beide miteinander zu vergleichen. Die hohen Eiweissgehalte von getrockneten Bohnen bei einem Eintrocknungsverhältnis von ungefähr 1:9 sind aber keine Vergleichsbasis, da das Gemüse bei der Speisezubereitun wieder hydriert wird.

 

Karotin

Karotin, auch als Provitamin A bezeichnet, ist im biochemischen Prozess die Vorstufe zum Vitamin A. Fehlen die Hauptquellen für dieses Vitamin wie Milch, Eier und Leber in der Ernährung, so kann als Mangelsymptom bei Kindern Erblindung durch Austrocknen der Augenhornhaut (Xerophthalmie) auftreten. Einzigste Quelle von Vitamin A in tropischen Gesellschaften, wo erwähnte Lebensmittel typischerweise fehlen, sind dann Blattgemüse.

 

Vitamin C

Schon geringe Mengen Blattgemüse sind bei entsprechender Zubereitung ausreichend, den täglichen Vitamin C-Bedarf zu decken.

 

Eisen und Kalzium

Hauptlieferanten für beide Mineralstoffe sind tierische Produkte wie Fleisch und Milch. Sind diese Nahrungsmittel nicht zugänglich, so sind Blattgemüse eine wertvolle Quelle.

 

Abschliessend ist festzuhalten, daß tropische Blattgemüse in den Gesellschaften ihres genetischen Ursprungsgebiets einen wichtigen Beitrag zur Versorgung in einzelnen Nährstoffgruppen stellen, viel wichtiger ist aber die Kombination und das Zusammenwirken aller Nährstoffe, um die tägliche Nahrung, besonders bei Kindern und Schwangeren, zu ergänzen. Dies gilt insbesondere, wenn wichtige Nährstoffträger wie tierische Produkte in der Diät fehlen.

 

Daß schon geringe Mengen an dunkelgrünen Blattgemüsen ausreichend sind, einen entscheidenden Einfluß auf eine gesunde Ernährung zu haben, sei an folgender Tabelle aufgezeigt:

 

Nährstoff

täglicher Bedarf

prozentuale Deckung durch 100 g Frischsubstanz von:

 

einer schwangeren

 

 

 

 

 

 

oder stillenden

Corchorus

Cucurbita

Hibiscus

Momordica

Solanum

 

Frau

olitorius

moschata

sabdariffa

charantia

nigrum

Eiweiss

41    g

14  %

7 %

5 %

14 %

11 %

Kalzium

1094 mg

25

4

11

27

20

Eisen

9 mg

86

23

17

56

47

Karotin

3 mg

263

63

253

170

57

Vitamin C

16 mg

337

61

215

1043

184

Tab. 3. Beitrag tropischer Blattgemüse zur Deckung des täglichen Bedarfs an Nährstoffen (täglicher Bedarf nach WHO/FAO in OOMEN, 1978)

 

1.3. Anbauweisen von tropischem Blattgemüse

 

Es sind im wesentlichen folgende drei Faktoren, die die am weitest verbreiteten Anbausysteme von tropischem Blattgemüse beeinflussen:

 

-   Kultur und Tradition von Gesellschaften.

-   Arten- und Sortenvielfalt.

-   natürliche Anbauerfordernisse.

 

Kultur und Tradition von Gesellschaften.

Die ausgesprochene Vielzahl ethnischer Gruppen bzw. Völker z.B. in Afrika begründet eine uralte Erfahrung und Tradition, die weniger durch Aufzeichnungen als durch persönliche Überlieferung weitergegeben wurden. So entwickelten sich Anbauverfahren, die ganz speziell an die Standortbedingungen angepaßt sind. Dies beinhaltet die Sortenwahl genauso wie die Auswahl des Standorts bzw. Intensität des Anbaus.

 

Arten- und Sortenvielfalt.

Bereits diskutierte Formenfülle von tropischem Blattgemüse oder besser genetische Variabilität stellt eine Grenze für grossflächigen oder überregionalen Anbau eines Gemüses dar. Die züchterisch kaum bearbeiteten Arten können in ihren Eigenschaften erheblich variieren oder zeigen nur geringe Konstanz im Anbau, so daß grosse, einheitliche Feldbestände nur schwer zu erreichen sind.

 

Natürliche Anbauerfordernisse.

Soll eine im Jahresverlauf gleichmässige Versorgung mit Blattgemüsen angestrebt werden, so muß den Witterungsverhältnissen Rechnung getragen werden: In den westafrikanischen Sommerregengebieten ist eine Kultivierung während der Trockenperiode nur mit Bewässerung möglich. Grosse Flächen stellen dann Ansprüche an technische Ausrüstung und Fachkenntnisse, die oft fehlen.

 

Wichtige Anbauverfahren sind:

 

Shifting Cultivation.

Der Wanderfeldbau basiert auf einer uralten Tradition und belastete die Anbaustandorte ursprünglich nur gering, da auf eine Anbauperiode eine lange ungenutzte Phase folgte, die es möglich machte, dass sich die ökologischen Faktoren voll erholen konnten. Bei ständig zunehmender Bevölkerungsdichte ist es allerdings klar, dass diese "Selbstheilungskräfte" bei der schnelleren Rotationsgeschwindigkeit nicht mehr wirken können.

 

Hausgärten.

Durch unmittelbare Nähe zum Verarbeitungsort, der Küche, sind Hausgärten eine ständig frische Quelle für die leicht verderblichen Blattgemüse. Eine intensive Pflege wie Düngung (Küchenabfälle!) und Bewässerung ist bei der kleinen Fläche, die nötig ist eine Familie ausreichend zu versorgen, wenig problematisch. Dazu soll die folgende Kalkulation einer Kulturplanung der fünf hier vorzustellenden Gemüse zeigen, dass bei einer kontinuierlichen Versorgung z.B. einer fünfköpfigen Familie bei dem von den Welternährungsorganisationen empfohlenen Pro-Kopf-Verbrauch an Blattgemüsen, nur kleine Flächen benötigt werden:

 

Kultur

Kulturdauer

Aussaat-

Erntebeginn

Erntebeginn-

Ernteende

Gesamt-

ertrag

Ertrag in

Erntephase

kg/m2×Tag

Parzellen

Gesamt‑

fläche

m2     (m)

Grösse

m2

Anzahl

 

Tage

Tage

dz/ha

 

Corchorus

40

40

80

20

25

2

50

olitorius

 

 

 

 

 

 

(7-7)

Hibiscus

120

60

160

27

20

3

60

sabdariffa

 

 

 

 

 

 

(8·8)

Solanum

20

50

100

20

25

2

50

nigrum

 

 

 

 

 

 

(7·7)

Cucurbita

90

60

50

8

65

3

200

moschata

 

 

 

 

 

 

(14·14)

Momordica

70

40

50

13

40

3

120

charantia

 

 

 

 

 

 

(11·11)

Tab. 4. Flächenbedarf des Hausgartens einer fünfköpfigen Familie bei kontinuierlicher Versorgung mit dem von WHO/FAO empfohlenen Tageskonsum von 100 g Blattgemüse/Person-Tag (nach: OOMEN, 1978).

 

Description: Monografie über einige tropische Gemüsearten unter besonderer Berücksichtigung der Blattnutzung_Pic12
Abb. 4. Kulturverlauf eines satzweisen Anbaues tropischer Blattgemüse (nach: OOMEN, 1978 und GRUBBEN, 1977).

 

Mischkultur.

Diese Kulturform nutzt die unterschiedliche Wachstumsgeschwindigkeit verschiedener Pflanzenarten aus. So werden Blattgemüse z.B. zwischen Wurzelfrüchten wie Kassava oder Yam angebaut. Nach kurzer Kulturperiode sind die Blattpflanzen schon abgeerntet, wenn die oberirdische Pflanzenmasse der Wurzelfrüchte die konkurrierenden Gemüse verdrängen würde.

 

Kommerzieller Anbau.

Dass tropische Blattgemüse bisher nur in geringem Umfang kultiviert werden, liegt in vielen Faktoren begründet:

 

Durch geringe Beachtung auf Seiten von Forschung und Lehre haben die seltenen Gemüse ein nur geringes "Ansehen" oder geringen ökonomischen Wert. Die fehlende züchterische Verbesserung der Arten resultiert in mangelnder Eignung für grossflächigen oder überregionalen Anbau: Gutes Saatgut ist schwer, gar nicht oder nur saisonal erhältlich, die Arten sind genetisch nicht für einen überregionalen Anbau unter anderen Klimabedingungen geeignet und zeigen grosse Variabilität in der morphologischen Merkmalsausprägung. Ein intensiver Anbau stellt Anforderungen an den Pflanzenschutz, der besonders bei der Empfindlichkeit des genutzten Pflanzenteils und der meist kurzen Kulturzeit sehr zu beachten ist.

 

In der Nacherntebehandlung treten Probleme bei Lagerung und Transport aufgrund des leicht verderblichen Ernteguts auf.

 

1.4. Nacherntebehandlung und Aufbereitung

 

Die empfindlichen Blattgemüse stellen, sofern sie nicht im Hausgarten kultiviert und sofort nach der Ernte zubereitet werden, hohe Anforderungen an eine qualitätssichernde Behandlung nach der Ernte. Wie bei Gemüsen generell empfohlen, soll die Ernte zum Zeitpunkt hoher Turgeszenz der Pflanzen, also vornehmlich frühmorgens oder aber auch abends, durchgeführt werden.

 

Für den Transport eignen sich am besten luftdurchlässige Körbe, die mit lokalen Materialien wie Bananenblättern als Verdunstungsschutz abgedeckt werden.

 

Schon zu diesem Zeitpunkt, verstärkt aber bei der Lagerung müssen ungesunde Pflanzen streng ausselektiert werden, um das gesamte Erntegut vor Verderb zu schützen.

 

Zur Reinigung oder zum kurzfristigen Frischhalten der Gemüse soll aus hygienischen Gründen nur Trinkwasser verwendet werden.

 

Unter Aufbereitung ist in erster Linie die Trocknung zu verstehen. Obwohl selbst mit schonenden Trocknungsverfahren Inhaltstoffverlust einhergeht, darf nicht übersehen werden, dass ein im ernährungsphysiologischen Wert reduziertes Gemüse besser ist als gar keins. Ausserdem ist in Gebieten mit längerer Trockenzeit eine Konservierung die einzigste Möglichkeit, während dieser Periode eine kontinuierliche Versorgung zu gewährleisten. Die Trocknung sollte direkt an die Ernte angeschlossen und in kurzer Zeit zur Minimierung von Verlusten an Inhaltsstoffen durchgeführt werden. Dabei sollten die Temperaturen nicht über 60°C hinausgehen und durch Sonnenschutz verhindert werden, dass schädliche UV-Strahlung grosse Teile an Karotin vernichtet (OOMEN, 1978).

 

1.5. Zubereitung

 

Im Hinblick auf einen Beitrag zu gesundheitlicher Ernährung müssen auch Gesichtspunkte der Zubereitungsweisen von tropischem Blattgemüse beachtet werden. Die in gemässigten Breiten vertretene Ansicht, Blattgemüse zum Schutz der Inhaltsstoffe vor thermischer Einwirkung roh zu essen, kann in tropischen Ländern nicht aufrechterhalten werden: Einige Gemüse enthalten bereits besprochene toxische Substanzen, die durch Kochen im Wasser verdünnt und eventuell durch mehrfaches Ersetzen der Kochbrühe entfernt werden können. Die allgemein hohe biologische Aktivität schafft in den Tropen hinsichtlich Bakterien hygienische Probleme, die durch Abkochen der Blattgemüse ausgeschaltet werden.

 

Wichtigster Gesichtspunkt sind aber wieder allgemeine, traditionelle Ernährungsgewohnheiten, die den obigen Schwierigkeiten Rechnung tragen und in diesen Gesellschaften fest etabliert sind. Gemüse werden beispielsweise im westafrikanischen Raum immer gekocht verzehrt und oft vor dem Genuss im Mörser zerstampft.

 

Generell kann bei obiger Zubereitungsweise empfohlen werden, dunkelgrüne Blattgemüse erst kurz vor dem Verzehr den landestypischen Gerichten und Saucen beizugeben und möglichst kleine, junge Blätter zu verwenden, die besonders von Kindern auch ohne syorheriges, das Lebensmittel nicht schonend behandelndes Zerstampfen, verzehrt werden können.

 

1.6. Wirtschaftliche Bedeutung

 

Die ökonomische Bedeutung tropischer Blattgemüse ist nur schwer abzuschätzen. In den Handels- und Produktionsjahrbüchern der FAO ist diese Produktgruppe nicht vertreten, so dass lediglich allgemeine Tendenzen für die Erzeugung von Blattgemüsen an Werten der gesamten Gemüseproduktion skizziert werden können. Ein weiteres Hilfsmittel sind Beobachtungen in einzelnen Weltregionen, die aber meist alt und größtenteils abgeschätzt sind.

 

Trendberechnungen für die Gemüseproduktion in Afrika und Fernost (nach FAO, 1986-1989) zeigen mit hoher Signifikanz, dass sich die Produktionsmengen im Zeitraum 1984 bis 1989 in Afrika durchschnittlich um 2,6 und in Fernost um 1,6 Prozent im Jahr erhöhen. Dass dieser Trend nicht zu pauschalieren ist, soll am Beispiel Ghanas gezeigt werden: Unter der Berücksichtigung, daß der Anteil anderer landwirtschaftlicher Produkte neben Cash-Crops (in Ghana: Kakao) im langjährigen Durchschnitt nur 0,8% des gesamten Handelsvolumens beträgt, zeigt Abb. 5., dass die für Ghana gesamtwirtschaftlich existentiellen Handelserlöse aus dem Kakaoanbau bei ständig sinkenden Weltmarktpreisen durch Ausdehnung der Produktionsmenge aufzufangen versucht werden.

 

Description: Monografie über einige tropische Gemüsearten unter besonderer Berücksichtigung der Blattnutzung_Pic16
Abb. 5. Produktionsmengen (in Mio. Tonnen) und Weltmarktpreis (US $/Tonne) von Kakao in Ghana (FAO, 1985-1988).

 

Einen Hinweis auf die Vermutung, dass diese Entwicklung auf Kosten der Gemüseproduktion geht, kann Abb. 6. sein. Begründen kann man dies durch Wegfallen natürlicher Vegetationsflächen zum Sammeln wilder Blattgemüse, Zurückdrängen des Gemüsebaus durch Flächenausweitung und Intensivierung der Cash-Crops und damit verbundener Bindung von Arbeitskraft (GRUBBEN, 1977). Abschliessend zeigt Abb. 7., dass in Folge dieser Entwicklungen ein zunehmender Verlust an Autarkie von Nahrungsmittelimporten zu beobachten ist.

 

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Abb. 6. Handelsbilanz landwirtschaftlicher Produkte ohne Cash-Crops in Ghana (FAO, 1985-1988).

 

Description: Monografie über einige tropische Gemüsearten unter besonderer Berücksichtigung der Blattnutzung_Pic18
Abb. 7. Produktion von Kakao (in Mio Tonnen) und Gemüse (in Tausend Tonnen) in Ghana (FAO, 1985-1988).

 

Ohne Anspruch auf Richtigkeit der zugrundegelegten Datenquellen soll Tab. 5. verschiedene Beispiele des Konsums tropischer Blattgemüse in verschiedenen Weltregionen zeigen. Die vermutliche Gesamt-Weltproduktion von dunkelgrünen tropischem Blattgemüse kann ebenso unsicher auf 10-30 t/Jahr abgeschätzt werden (OOMEN, 1978).

 

Region

Verzehr von

Blattgemüse

g/Person·Tag

Anteil Blattgemüse am

Gesamtgemüseverzehr

%

Nord-Afrika

20

13

West-Afrika,

Zentral-Afrika

24

34

Porto-Novo; Benin;

West-Afrika

57

13

Ost-Afrika,

Äthiopien

15

25

Mittel-Amerika

8

15

Mittel-Süd-

Amerika

6

10

Südwest-, Zentral-

Asien

11

7

Philippinen

16

13

Tab. 5. Verzehr von tropischem Blattgemüse in verschiedenen Weltregionen (nach OOMEN, 1978 und GRUBBEN, 1977).

 

1.7. Zukunftsaussichten

 

Die derzeitige Situation des Anbaus von tropischem Blattgemüse wird insbesondere von drei Gesichtspunkten geprägt:

 

Cash-Crops stellen für die meisten Staaten des tropischen Gürtels die Haupteinnahmequelle für Devisen dar. Zwangsläufig werden Massnahmen, die der Ausweitung der Produktion durch Flächenausdehnung und Intensivierung dienen, in Gesellschaft und Lehre gefördert. Dies geschieht zuungunsten des traditionellen Anbaus von Blattgemüsen.

 

Mehr und mehr eingeführte "moderne" europäische Ernährungsgewohnheiten lassen Geldmittel und Forschungsanstrengungen in Richtung Adaption von Gemüsen aus gemässigten Breiten laufen. Bei oft geringerem gesundheitlichen Wert sind diese wenigen Arten im tropischen Klimaraum schwierig zu kultivieren, es besteht die Gefahr von Misserntenn, und Weitervermehrung der meist vernalisationsbedürftigen Kultivare am Standort ist nicht möglich.

 

Zur Verdrängung einheimischer tropischer Blattgemüse trägt letztendlich auch die zunehmende Verstädterung in tropischen Ländern bei, die eine Versorgung der Bewohner mit in Hausgärten angezogenen Gemüsen nicht mehr möglich macht und eine Abhängigkeit von marktgängigen, meist nicht einheimischen Gemüsen schafft.

 

Als Forderungen für die Zukunft sieht OKIGBO (1986) die verstärkte regionale Forschung bei gleichzeitiger überregionaler Zusammenarbeit um (1.) optimale regionale Varietäten zu selektieren, (2.) diese Arten züchterisch auf geringere Variabilität zu bearbeiten und (3.) in internationaler Zusammenarbeit einen intensiveren Anbau auch überregional zu erreichen.

 

2. SPEZIELLER TEIL

 

2.1 Botanische Benennung und Volksnamen

 

Die hier vorzustellenden tropischen Blattgemüse entspringen aus Kulturräumen mit einer Vielzahl darin beheimateter ethnischer Gruppen. Daraus resultiert ein Gewirr der verschiedensten Benennungen für teilweise auch tatsächlich morphologisch unterschiedliche Species von Arten gleichen genetischen Ursprungs. Um einen Eindruck dieser Fülle von Bezeichnungen zu geben, seien im folgenden nur die wichtigsten Volksnamen in europäischen Sprachen wiedergegeben:

 

Botanischer

Name

Pflanzenfamilie

Volksnamen

englisch

französisch

spanisch

Corchorus

olitorius L.

Tiliaceae

bush okra

jute

jute mallow

jew's mallow

long fruited

jute

tossa jute

west african

sorrel

corette

corète à trois

deuts

corète potagère

jute

jute potagère

mauve des juifs

yute

yute malváceo

Hibiscus

sabdariffa L.

Malvaceae

indian sorrel

jamaican sorrel

red sorrel

roselle

oseille de

guinée

roselle

agrio de guinea

sereni

Solanum nigrum

Solanaceae

black nightshade

morelle noire

morella

yerba mora

Cucurbita

moschata

(Duch.,ex Lam.)

Duch.,ex Poir

Cucurbitaceae

crookneck

cushaw

pumpkin

seminole pumpkin

winter squash

citrouille

courge

ayote

calabaza

Momordica

charantia L.

Cucurbitaceae

balsam pear

bitter cucumber

bitter gourd

bitter melon

bitter momordica

liane marveille

margose

cundiamor

Tab. 6. Botanische Benennung und europäische Volksnamen der tropischen Blattgemüse (nach verschiedenen Quellen).

 

2.2. Genetische Ursprungsgebiete

 

Obwohl in der Literatur zum Teil unterschiedliche und wiedersprüchliche Deutungen der genetischen Ursprungsgebiete der Blattgemüse zu finden sind, scheinen die hier beschriebenen Pflanzenarten den tropischen Regionen in: Zentral-Amerika, West-Zentral-Afrika und Südost-Asien zu entspringen:

 

Description: Monografie über einige tropische Gemüsearten unter besonderer Berücksichtigung der Blattnutzung_Pic21
Abb. 8. Genetische Ursprungsgebiete der tropischen Blattgemüse (nach verschiedenen Quellen).

 

2.3. Corchorus olitorius L. (Tiliaceae)

 

Description: Monografie über einige tropische Gemüsearten unter besonderer Berücksichtigung der Blattnutzung_Pic23

Abb. 9. Corchorus olitorius L. mit lokalen Volksnamen in Ghana

 

2.3.1. Herkunft und Verbreitung

 

Trotz widersprüchlicher Angaben in der Fachliteratur können für die Langkapseljute zwei Ursprungsregionen angenommen werden: Primäres Entstehungszentrum scheint der west-zentralafrikanische Raum zu sein, wo auch heute eine Mehrzahl der rund 40 verschiedenen Corchorus-Spezies zu finden ist. In Asien wird ein sekundäres Ursprungsgebiet im indo-burmesischen Raum vermutet, wo Corchorus seit Jahrhunderten ein wichtiges Gemüsein war (OOMEN, 1978). Ursprünglich wurden die unzähligen Lokalsorten als gemüse und nur vereinzelt zur Fasergewinnung in Hausgärten für den Eigenbedarf baut.

 

In den trockenen Regionen des Nahen Ostens (Syrien-Ägypten) wächst Corchorus olitorius klein, krautig und dicht verzweigt, neben der Nutzung als Gemüse gilt sie dort seit Jahrhunderten außerdem als Gewürzpflanze und ist in Ägypten auch in heutiger Zeit noch wichtigstes Blattgemüse (arab. meloukhia, molokhia; OLADIRAN, 1986). Die lateinische Benennung "Corchorus" stammt aus dem griechischen Wort "Korkhoros" ab, welches von asiatischen, in den Nahen Osten reisenden Händlern geprägt wurde.

 

In Indien liegen die Ursprünge für eine Domestikation von Corchorus zur Fasergewinnung. Die kleinen und verzweigten Spezies wurden auf einen langen, unverzweigten Habitus und kurzen Lebenszyklus selektiert. Heute ist das Schwemmland des Ganges-Brahmaputra-Deltas weltweit wichtigste Produktionszone für Corchorus zur Jutegewinnung, aber rund 3/4 der Flächen werden nicht mit der Langkapseljute, sondern mit einer anderen Corchorus-Art, C. capsularis, bestellt.

 

In Westafrika steht die Nutzung als Blattgemüse wie seit jeher im Vordergrund: Weitläufig meist extensiv kultiviert, ist Corchorus in den tropischen Tiefländern allgemein sehr bedeutend, in Nigeria wichtigstes Blattgemüse (OLADIRAN, 1986) und in Kamerun aus dieser Nutzung heraus verwildert (WESTPHAL-STEVELS, 1986).

 

Neben den beschriebenen Hauptverbreitungsgebieten wird Corchorus derzeit praktisch in allen tropischen Regionen entweder zur Faser- oder Blattnutzung kultiviert. Geringere Bedeutung hat die Gemüsejute jedoch im lateinamerikanischen Raum.

 

2.3.2. Morphologie

 

Die sich in Pflanzenhöhe, Stengelfarbe sowie Blatt- und Fruchtgestalt unterscheidenden, unzähligen lokalen Typen von C. olitorius, sind in ihrer ursprünglichen Form und in der Nutzung als Gemüsepflanze von buschiger bis halbstrauchförmiger Gestalt und generell kurzlebig (einjährig).

 

Der verholzende, zylindrische Spross wird bei den Varietäten, die der Gewinnung der stark lignifizierten Sklerenchymfasern (Jute) im Gewebe des sekundären Phloems dienen, bis 4,5 m hoch. Bei anderen Kulturverfahren können Gemüsesorten 1,5 m erreichen, besonders aber bei Höhen kleiner als 60 cm sind die Pflanzen dicht verzweigt und erreichen einen regenschirmartigen" Habitus. Die Farbe des Stiels reicht von grün über hell- bis dunkelrot und ist ein Charakteristikum der verschiedenen Herkünfte.

 

Die flachwurzelnde Gemüsejute entwickelt wenige, von der Stengelbasis ausgehende, Wurzeln erster Ordnung. Sekundäre Seitenwurzeln sind gut entwickelt, breiten sich weit aus und erreichen in schweren Böden Tiefen bis 50 cm, in leichten Böden bis 80 cm (KUNDU, 1955).

 

Description: Monografie über einige tropische Gemüsearten unter besonderer Berücksichtigung der Blattnutzung_Pic24
Abb. 10. Corchorus olitorius L.

 

Blätter stehen alternierend (wechselständig) und einzeln pro Nodium an den Trieben von C. olitorius und sind das wichtigste Bestimmungsmerkmal zur Unterscheidung der lokalen Sorten, aber auch zur Abgrenzung von einer mehr morphologisch als genetisch nah verwandten Corchorus-Art, C. capsularis. Generell sind sie bis 20 cm lang (C. capsularis: bis 13 cm), lanzett- bis breit eiförmig mit scharfer Spitze, haben einen gesägt bis gezähnten Rand, und bestehen aus einem Hauptblatt (Petiole) und zwei bis 1,5 cm langen Nebenblättern (Stipulen) an der Basis. Die beiderseitig tiefst liegenden Zähne des Hauptblatts laufen als schlanke Blattöhrchen spitz in einem Punkt zu und enden jeweils in einem rund 1 cm langen, haarförmigen Ansatz. Im Gegensatz zu C. capsularis ist das Blatt der Gemüsejute immer glänzend (C. capsularis: matt), enthält keine Bitterstoffe (C. capsularis: Sterole und Corchorin, ein Glykosid) und ist somit essbar. WESTPHAL-STEVELS (1986) unterscheidet in Kamerun und Westafrika drei verschiedene Sortengruppen auf Basis ihrer Blattgestalt:

 

Sortengruppe

Blattgrösse

Blattspreite

Blattrand

"Olitorius"

4-13·2-5 cm

lanzett- bis

eiförmig

gesägt bis

gezähnt

"Incisifolius"

4-7·2-5 cm

eiförmig bis

breit eiförmig

3-7 mal gelappt

tief und grob

gesägt

"Géant de Bertona"

9-16·6-13 cm

eiförmig bis

breit eiförmig

breit gezähnt

Tab. 7. Sortengruppen von lokalen C. olitorius-Varietäten in Kamerun und Westafrika (WESTPHAL-STEVELS, 1986).

 

Mit Hilfe von Blattform und Wuchshabitus beschreibt EPENHUIJSEN (1974) in Nigeria zwei Varietäten:

 

Varietät

Blattspreite

Blattrand

Wuchshabitus

"Amugbadu"

elliptisch bis

eiförmig

fein gezähnt

gering verzweigt

hochwachsend

wenig aufrechter,

leicht kippender

Spross

"Oniyaya"

breit eiförmig

grob gezähnt

dicht verzweigt

breit wachsend

Tab. 8. Varietäten von lokalen C. olitorius-Varietäten in Nigeria (EPENHUIJSEN, 1974)

 

Blüten entspringen achselständigen Trugdolden in Gruppen von 2-5. Sie sind klein Durchmesser: 1 cm), von blassgelber Farbe und bestehen aus folgenden Gliedern: 5-6 grün bis farbige Sepalen stehen mit 5-6 gelbfarbig, ganz- bis gespaltenrandigen Petalen radiär zueinander, 30-60 freie Stamina mit gelben Antheren reihen sich um den oberständigen, synkarpen Fruchtknoten aus 5-6 verwachsenen Karpellen.

 

Die Frucht von C. olitorius ist eine längliche (4-10 cm) und zylindrische (Durchmesser: 0,3-0,8 cm), schotenähnliche Kapsel, die äusserlich in Längsrichtung gefurcht ist und am Ende schnabelartig zusammenläuft. Im Inneren teilen längsverlaufende Scheide wände 5-6 Kammern ab, in denen je 25-40 Samen gereiht, durch diagonal verlaufende Septen einzeln zueinander getrennt, sitzen. Die Gesamtzahl an Samen in der 10-spaltigen Kapsel kann mit 140-230 angegeben werden.

 

Bei einem TKG von 2,0 g und Durchmesser von 1 mm sind die Samen stumpf- bis dunkelgrau gefärbt, unregelmässig pyramidal geformt und von einer, von der markant hervorstehenden Spitze ausgehenden, längsverlaufenden Naht, überzogen.

 

2.3.3. Standortansprüche

 

In der Beschreibung der klimatischen und den Boden betreffenden Standortansprüche von C. olitorius herrschen in der Literatur teilweise wiedersprüchliche Angaben besonders im Hinblick auf Resistenz gegen Staunässe und Akzeptanz von Höhenlagen.

 

Klimatisch müssen besonders im Jugendwachstum Temperaturen von 22-35°C herrschen, die relative Luftfeuchtigkeit sollte 65-95% betragen und Niederschläge sollen bei einem Optimum von 1500 mm/Jahr nicht unter 1000 mm/Jahr liegen, in der Wachstumsperiode gelten gut verteilte 250 mm/Monat als vorteilhaft.

 

C. olitorius verlangt volle Strahlung, leichte Schattierung, wie z.B. in Mischkulturen, wird aber ebenfalls vertragen. Sonne und Niederschläge sollen sich dabei zum Abtrocknen der Blattflächen möglichst oft abwechseln.

 

Beschriebene Klimafaktoren finden sich in idealer Weise in den feucht-heißen Tiefländern der Tropen wieder. Wichtiger Standortfaktor hier ist die Qualität der Böden, die bestenfalls wie im Schwemmland des Ganges-Brahmaputra Deltas tiefgründig, schwer (Lehm bis sandiger Lehm) aber gut durchlüftet, leicht sauer (pH = 6-7) und durch jährliche Überschwemmung reich an organischem Material sein sollten (BRÜCHER, 1977; KUNDU, 1955). Dabei ist zu beachten, dass die Schwemmböden bei Trockenheit schnell verhärten und hemmend auf das Wurzelwachstum wirken können. Gut verteilte Niederschläge oder gleichmässige Bewässerung müssen hier eine konstante Bodenfeuchte erhalten. In Trockenperioden sind Lagen neben Gewässern vorteilhaft, wilde lokale Spezies scheinen aber resistenter gegen Trockenheit und toleranter gegenüber schlechteren Böden zu sein. Im Allgemeinen fehlt sandig-schottrigen Böden jedoch die nötige organische Masse, Salz wird von Corchorus nicht vertragen, eine zu feucht-lehmige Bodenstruktur verzögert Keimung Ind hemmt das Wachstum besonders von Jungpflanzen. Die Akzeptanz von Staunässe in tropischen Tiefländern und ein nötiges Ausweichen auf höhere Lagen wird von verschiedenen Autoren unterschiedlich bewertet: TERRA (1966) bezeichnet Corchorus-Arten als unempfindlich gegen stauende Nässe, MIA (1967), KUNDU (1955) und ANOCHILI (1986) beschreiben hingegen, dass die absolute Unverträglichkeit von Staunässe es nötig macht, den Anbau von Corchorus olitorius zur Jute-Produktion grösstenteils auf höhere und mittlere Lagen zu beschränken. TINDALL (1983) schliesst aber einen Anbau als Blattgemüse in Meereshöhen über 700 m wegen Ertragrückgangs aus. In diesem Zusammenhang soll Ziel von Züchtungsanstrengungen in erster Linie sein, eine bessere Anpassung an nasse Standorte zu erreichen (BRÜCHER, 1977).

 

2.3.4. Physiologie

 

Physiologische Reaktionen von Corchorus olitorius werden, besonders im Hinblick auf Befruchtung und Samenruhe, in der Literatur konträr beschrieben.

 

Photoperiodische Reaktion

Zweifelsohne ist die Gemüsejute photoperiodisch sensibel, bei Tageslängen unter 10-12 h (kritische Tageslänge: 12'/2 h) wird die generative Phase der Jungpflanzen eingeleitet. Besonders ist zu beachten, dass die Blüte nicht unbedingt physiologische Reife der Pflanzen voraussetzt, Temperatur und Wasserversorgung üben nur wenig Einfluß auf die Vorgänge aus. Die Wahl des Aussaattermins ist also ein entscheidender Faktor, die Blatterträge im vegetativen Wachstum zu maximieren, ohne dass Kurztag einen vorzeitigen Übergang in die geschlechtliche Phase auslöst. Sollen zur Weitervermehrung allerdings Samen produziert werden, so beeinflussen Langtagbedingungen Blühen und Fruchten ungünstig, die Kapseln werden gar nicht oder nur schlecht ausgebildet. Die Bedeutung der photoperiodischen Reaktion nimmt mit der Entfernung der Anbaugebiete vom Äquator zu, in Indien brachten hier selektierte, tagneutrale Formen höhere Erträge bei Jute (FUCHS, 1984).

 

Befruchtung

Obwohl mehrheitlich als Selbstbestäuber mit nur 12-13% Fremdbefruchtungsanteil angegeben (GRUBBEN, 1977; MIA, 1967; EPENHUIJSEN, 1974), begründet FUCHS (1984) Autogamie bei C. olitorius mit einer für Selbstbestäubung ungeeigneten Blütenstruktur: Bei variabler Griffellänge stehe ein hoher Prozentsatz an Narben zur Blütezeit über den Antheren und schliesse Selbstbefruchtung aus. Insgesamt blüht C. olitorius in Wellen während 2-21/2 Monaten ziemlich uneinheitlich ab. Besondere Aufmerksamkeit ist diesen Prozessen bei der Saatguterzeugung zu schenken, da zu Erzeugung von reinem Saatgut mindestens 15 m Pflanzabstand zu anderen Sorten/Herkünften eingehalten werden sollen.

 

Samenruhe

Endogene Faktoren der Samenruhe bei Corchorus sind (1.) die Impermeabilität der Samenschale für Wasser und Gase, sowie (2.) das Vorhandensein von keimhemmenden Inhibitoren im Samen. Möglichkeiten, ein gleichmäßiges Auflaufen des Saatguts zu erreichen, sind:

 

-   Erntezeitpunkt der Kapseln

-   mechanische Ruhebrechung mit Hilfe von Schmirgelpapier oder feinen Glassplittern sowie Aufbohren

-   Skarifikation mit Schwefelsäure

-   Quellung in heissem Wasser.

 

KUNDU (1955) sieht den optimalen Erntetermin von Corchorus-Kapseln zum Zeitpunkt morphologischer Samenreife, wenn die Pflanze schon abgestorben, die Früchte aber noch nicht aufgeplatzt sind. Die Keimversuche von OLADIRAN (1986) zeigten aber zweifelsfrei, dass Samen aus Kapseln, die zu einem physiologisch früheren Termin (Gelbreife) geerntet worden sind, keine weiter keimhemmungsbrechenden Maßnahmen erforderlich machen. Nur Samen aus reiferen, gelbbraun bis braunen Kapseln machen eine Skarifikation oder Heisswasserbehandlung nötig, die Durchlässigkeit der Samenschale zu erhöhen. Dabei zeigte die Skarifikation beste Ergebnisse im Hinblick auf Keim- und Auflaufrate, Keimlingsgrösse, sowie die im Anbau wichtige Uniformität der Keimlingsgrösse. Die Heisswasserbehandlung mit 97°C war bei einer Anwendungsdauer von 5 s optimal, über 40-60 s fand im Versuch keine Keimung aufgrund Zerstörung des Eiweißes statt, obwohl andere Autoren (IKEORGU, 1990) 2 min Anwendungsdauer empfehlen.

 

Der Einsatz von Gibberellin zur Brechung der Keimruhe scheint nach vorstehenden Literaturquellen uneffektiv und nicht empfehlenswert zu sein.

 

Eine Stratifikation zeigt im Versuch keine signifikanten Auswirkungen auf den Wuchs von Corchorus. Die Keimung wird dabei geringfügig verzögert, Keimlinge wachsen aber kräftiger, der Chlorophyllgehalt in den Blättern ist höher und die Blüte tritt früher ein (KUNDU, 1955). Offensichtlich erhöht eine Vorbehandlung mit Rücktrocknung die physiologische Resistenz gegen Trockenheit.

 

Salzresistenz

Geringe Salzkonzentrationen im Boden (z.B. in ariden Lagen oder Höhenlagen) verzögern die Keimung, Chlorophyll entwickelt sich schlecht und es kommt kaum zum Blühen oder Fruchten. Die absolute Obergrenze von Salzkonzentrationen, die zum Absterben der Pflanze führen, werden dabei mit 3-4% Bodensalzgehalt angegeben (KUNDU, 1955).

 

2.3.5. Züchtung

 

Anstrengungen, Corchorus-Arten züchterisch zu verbessern, werden im Prinzip nur zur Erzielung besserer Fasererträge zur Juteproduktion verfolgt. Dabei kann auch zur Nutzung als Gemüsepflanze aus einem grossen genetischen Pool geschöpft werden: In Indien und Bangladesch werden etwa 100 Sorten unterschieden, man beschreibt 5-8 morphologisch unterschiedliche C. olitorius-Rassen (C. capsularis: 50 !), wobei mindestens 3 Rassen der Gemüsenutzung zuzuschreiben sind (KUNDU, 1955).

 

Die kaum bearbeiteten, unzähligen lokalen Varietäten werden besonders in Afrika entsprechend morphologisch-anatomischer Merkmale unterschieden. Mögliche Klassifizierungen sind bereits vorgestellt worden und sind Schritte auf dem Weg, ertragreiche Gemüsesorten durch Selektion zu gewinnen: In Nigeria bringt die Varietät "Amugbadu" trotz grösseren Wuchses bis 100% höhere Blatterträge als der zweite Haupttyp "Oniyaya". "Amugbadu" wird zwar bis 1,80 m hoch ("Oniyaya": 1,50 m), nach dem Stutzen entwickelt die Varietät jedoch ein dichteres Blattwerk, die Verzweigung ist besser und es kann vor allem mit 3-4 Monaten ("Oniyaya": 1-2 Monate) wesentlich länger geerntet werden (EPENHUIJSEN, 1974).

 

Möglichkeiten, neben der Selektion lokaler Formen auch anderweitig züchterisch auf C. olitorius einzuwirken, sind in der Jute-Forschung aufgezeigt worden: Schon seit den 20er Jahren dieses Jahrhunderts wird auf verschiedenen Wegen versucht, C. olitorius und C. capsularis zur Kombination der guten Arteigenschaften zu bastardisieren (z.B. Mia). Ergebnisse dieser Kreuzungen waren praktisch immer, dass die sich bis auf die Fruchtform sehr ähnelnden Arten doch phylogenetisch so stark differenziert haben, dass eine Kreuzung ohne künstliche Eingriffe ins Genom nicht möglich ist. Die Barriere ist primär in mangelnder Befruchtungsfähigkeit zu sehen: Das Pollenschlauchwachstum ist verzögert, es werden nur wenige Eizellen im Ovarium befruchtet und Embryos werden nicht entwickelt oder abgestossen. Erfolge zeigten Pfropfungen des Pollenspenders C. capsularis auf C. olitorius: Pollen auf kastrierte Blüten von C. olitorius-Sämlingen übertragen, ließen fertile Hybriden entstehen, die auch wieder mit den Elterntypen rückgekreuzt werden konnten (FUCHS, 1984).

 

Versuche zur Mutationsauslösung, entweder mit ionisierenden Röntgen- bzw. Gammastrahlen (MIA, 1967) oder chemischen Mutagenen (Hydroxylamin, Indolessigsäure) brachten bei Corchorus Erfolge in der Juteproduktion bei folgenden Merkmalen (nach FUCHS, 1984):

 

-     Frühreife

-     Faserertrag und –qualität

-     Standfestigkeit

-     Resistenz gegen Krankheiten/Schädlinge

-     Stengelmorphologie

-     Pflanzenhöhe

-     Verzweigungsgrad

-     Adaption an verschiedene Standorte.

 

Mit der anderen Zielsetzung, Blatterträge zu verbessern, können auch Methoden der Polyploidisierung bei Corchorus angewendet werden: In Versuchen zeigten mit Kolchizin behandelte Formen Tetraploidie (C. olitorius: normalerweise 2n=14) und waren im Habitus kürzer und stärker verzweigt. Problem auch hier: die gestörte Fertilität, die eine Vermehrung der Pflanzen nur ungenügend möglich macht (FUCHS, 1984).

 

2.3.6. Kultivierung

 

Bodenvorbereitung

Aufgrund geringer Saatgrösse und Empfindlichkeit der Jungpflanzen gegen Staunässe muss besonders bei der Direktsaat von C. olitorius auf eine gründliche Bodenvorbereitung Wert gelegt werden. Im indischen Juteanbau werden die Felder 4-5 mal in wechselnder Richtung gepflügt und anschliessend mit einer feinen Egge oder einfacheren Werkzeugen abgezogen. Zur Gemüseproduktion, beispielsweise in Hausgärten, finden in der Regenzeit erhöhte Beete Anwendung, in der Trockenzeit sind Furchen oder versenkte Beete zwecks Bewässerung günstiger. Bei möglicher Zugabe von organischer Substanz (z.B. 1,3-2,5 dz/ha verrotteter Kuhmist; KUNDU, 1955), soll der Boden zur Vorbeugung von Stauhorizonten und Einarbeiten von Unkrautsamen tief gelockert und gewendet werden, anschliessendes Rückverdichten der oberen Bodenschicht sichert die Wassernachfuhr aus tieferen Horizonten.

 

Direktsaat

Im asiatischen Juteanbau wird Corchorus aufgrund großer Flächen und einer im Vergleich zum Anbau als Gemüse ungefähr doppelt so hohen Bestandesdichte, entweder breitwürfig oder in Reihen gedrillt, direkt gesät. Obwohl der Direktsaat folgende Schwierigkeiten gegenüberstehen:

 

-   hohe Anforderungen an ein feinkrümeliges Saatbeet aufgrund Kleinsamigkeit

-   sich stark erhitzender und austrocknender Boden im heißen Klima

-   Verschlämmung und Verkrustung des Bodens durch Bewässerung

 

wird bei einer breitwürfigen Saat Corchorus olitorius eng gesät um schnellstmöglich einen dichten Bestand zu erreichen, der durch Bodenbeschattung (1.) Unkrautwuchs unterdrückt und (2.) Evaporation von der Bodenoberfläche reduziert. Entsprechend Wuchsstärke wird bestenfalls zweimal ausgedünnt, bei einer Pflanzenhöhe von 7-10 cm auf einen Abstand von 5.5 cm, und ein weiteres Mal auf einen Endabstand von jeweils 15-30 cm, wenn sie ungefähr 15-45 cm hoch gewachsen sind. Eine weitere Variante ist das einmalige Vereinzeln auf 10·10 cm Endabstand zur Einmalernte des gesamten Bestandes.

 

Die Reihendrillsaat spart Saatgut ein, vereinfacht die Unkrauthacke im Feld und ist mit einfachen Geräten mechanisierbar. Zwischen den Reihen werden dabei 20-30 cm Abstand gelassen. Vereinzeln wird bei der breitwürfigen Saat besonders im Hinblick auf dichte Bestände durchgeführt, da eine Unkrautbekämpfung nur schwer möglich ist. In Reihen gedrillt, ist ein frühes Ausdünnen auf 20-30 cm Endabstand in der Reihe wichtig, um kompakte Pflanzen mit viel Blattmasse zu produzieren.

 

Jungpflanzenanzucht

Das wohl sichere und arbeitswirtschaftlich kaum intensivere Kulturverfahren für C. olitorius ist die Pflanzung von in Saatbeeten separat angezogenen Jungpflanzen. Durch unproblematische Bewässerung und Schattierung des kleinen Beets keimen die Pflanzen schneller, aufwendiges Vereinzeln entfällt und Jungpflanzen haben auf dem Feld einen Wachstumsvorsprung vor Unkräutern, bzw. ein Arbeitsgang der Hacke entfällt. Im Saatbeet ist ein Substratgemisch aus Sand und organischem Material im Verhältnis 5:1 (IKEORGU, 1990) vorteilhaft und nach dem Auflaufen (Dauer im eigenen Versuch: 9 Tage), sollen die Keimlinge zur Abhärtung recht bald der vollen Sonnenstrahlung ausgesetzt werden. Ist eine Pflanzenhöhe von 5-10 cm erreicht (im eigenen Versuch 3 Wochen nach Aussaat), kann auf dem Feld entsprechend Wüchsigkeit der Varietäten mit Abständen von 20-55 cm zwischen den Reihen und 20-45 cm in den Reihen gepflanzt werden. Der starke Verpflanzschock im tropischen Klima kann durch kurze Wege zum Feld, sonnengeschützten Transport und Auswahl eines optimalen Zeitpunkts (möglichst abends vor Sonnenuntergang) gemindert werden, beste Methode jedoch ist das Verpflanzen im Erdballen, wenn die nötige technische Ausstattung (Kulturplatten, Erdtopfpressen) vorhanden ist.

 

Mischkultur

Trotz zahlreicher Empfehlungen in Lehrbüchern zum tropischen Pflanzenbau (z.B. DUPRIEZ, 1989) zeigten Versuche, dass bei Mischkulturen von Blattgemüsen mit Wurzelfrüchten oder Getreiden, eine Ertragsreduktion des Gemüses von 50% zu erwarten ist. Die Versuche von IKEORGU (1990) zu Gemüse-Mischkulturen der in Nigeria bedeutendsten Blattgemüse Amaranthus hybridus ("african spinach"), Celosia argentea ("indian spinach") und C. olitorius zeigten u.a. folgende Ergebnisse:

 

-   Amaranthus nutzt als C4-Pflanze die Lichtenergie besser und verliert weniger Substanz durch nächtliche Atmung. Die in der Mischkultur dominante Pflanze induziert bei Corchorus längere Wurzeln und grössere Gesamthöhe durch Konkurrenz um Licht, Wasser und Nährstoffe. Frisch- und Trockengewicht sind bei Corchorus signifikant kleiner als in der Reinkultur, die Gesamtproduktivität der Anbaufläche aber grösser.

-   höchste Corchorus-Erträge sind in der Mischkultur von Corchorus und Celosia zu erwarten.

-   höchste Gesamterträge der Anbaufläche liefert eine Mischkultur aller drei Blattgemüse.

-   Die Wuchshöhe von C. olitorius ist in der Reinkultur am geringsten.

 

weitere Kulturarbeiten

Besonders in der Jugendphase ist auf eine ständige Bewässerung der Sämlinge zu achten. Beispielsweise in Ghana muß während der Trockenzeit zweimal täglich, morgens und abends, gegossen werden, um eine adäquate Wasserversorgung zu gewährleisten. Durch Mulchen der Bodenoberfläche mit lokalen, organischen Materialien kann die enorme Verdunstung reduziert werden. Bei direkt gesäten Corchorus-Beständen ist eine erste, schonende Unkrauthacke erst zum Zeitpunkt des Vereinzelns bei ungefähr 15 cm Pflanzenhöhe möglich, ohne Wurzelschäden hervorzurufen. Hingegen sollte auch bei vorgezogenen Pflanzen die Apikaldominanz möglichst frühzeitig durch Stutzen gebrochen werden, da Pflanzen ansonsten zu hoch werden, sich nur gering verzweigen, früher reifen bzw. blühen und insgesamt geringere Blatterträge bringen. Ältere, an der Basis verholzende Pflanzen können während der Erntephase zur Verjüngung kurz über der Erde zurückgeschnitten werden.

 

2.3.7. Ernte und Ertrag

 

Beginnend 5-6 Wochen nach Direktsaat oder Verpflanzen, werden bei entscheidender Abhängigkeit von Varietät oder Herkunft, Corchorus-Pflanzen in 3-9 Erntegängen über einen Zeitraum von 1-4 Monaten abgeerntet. Dabei schneidet man nicht wie bei großblättrigen Gemüsen (z.B. Kassava) einzelne Blätter, sondern erntet junge, ungefähr 20-30 cm lange Sprosse. Zum Neuaustrieb sollten noch einige Nodien am angeschnittenen Trieb verbleiben. Tab. 9. fasst die Daten der zwei wichtigsten Kulturmethoden bei Corchorus olitorius zusammen und Tab. 10. vergleicht die Erträge der hier beschriebenen Arten mit anderen wichtigen tropischem Blattgemüse:

 

Saatgut-

Kulturmethode

Pflanzen-

Pflanz-

Kultur-

Ernte-

Ertrag

bedarf

 

endabstand

dichte

dauer

dauer

 

 

Direktsaat

20-30·20-30

110-250

70-160

Tage

30-120

Tage

30-100

(x:80)

dz/ha

 

mit Ausdünnen

cm

Tausend

3-6

kg/ha

 

 

Stk/ha

 

 

 

Vorzucht mit

20-45·20-55

40-250

 

Pflanzung

cm

Tausend

Stk/ha

Tab. 9. Kulturdaten von Corchorus olitorius (nach: GRUBBEN, 1977; TINDALL, 1983; EPENHUIJSEN, 1974 und TERRA, 1966).

 

 

Blattgemüse

mittlerer

Ertrag

dz/ha

mittlere

Erntedauer

Tage

mittlerer

Ertrag/Zeitabschnitt

kg/ha·Tag

"kangkong"

(Ipomoea aquatica)

800

300

270

"ceylon spinach"

(Basella alba)

500

120

420

"water leaf"

(Talinum triang.)

450

120

380

"amaranth, Africa"

(Amaranthus cruentus)

100

60

170

Corchorus olitorius

80

40

200

Hibiscus sabdariffa

160

60

270

Solanum nigrum

100

50

200

Cucurbita moschata

50

60

85

Momordica charantia

50

40

130

Tab. 10. Erträge von tropischem Blattgemüse (nach OOMEN, 1978 und EPENHUIJSEN, 1974)

 

Im Gegensatz zu den kontinuierlichen Ernten bei erwähnten Kulturverfahren, zielt eine Dichtpflanzung mit 10·10 cm Abstand in und zwischen den Reihen auf die einmalige Ernte des kompletten Feldes ab. Nach Bestandesschluß erntet man dabei die Pflanzen einfachheithalber mitsamt Wurzel (OOMEN, 1978).

 

2.3.8. Düngung

 

Präzise Empfehlungen zur optimalen Nährstoffversorgung oder Untersuchungen auf Entzugsmengen durch C. olitorius sind in der Literatur nicht zu finden, und auch aufgrund der Fülle verschiedener Spezies nicht zu verallgemeinern.

 

Die organische Düngung vor Kulturbeginn dient prinzipiell bei schweren Böden der Strukturauflockerung, sandige Böden werden hinsichtlich Wasserhaltefähigkeit verbessert. Im indisch-burmesischen Juteanbau werden dazu vor der Saat 1,3-2,5 dz/ha organische Hausabfälle oder besser verrotteter Kuhmist ausgebracht (BANERJEE, 1955). Leichtlösliche Mineraldünger finden nur vereinzelt Anwendung, da der Entzug durch die Faser gering bleibt, wenn die übrigen Pflanzenreste wieder ausgebracht werden. Versuche zeigen aber, dass durch Stickstoffdüngung, besonders in Form von Ammoniumsulfat, Ertragszuwächse von 30-200% induziert werden können.

 

Kultiviert man Corchorus zur Gemüseproduktion, werden den Böden durch größere Erntemengen mehr Nährstoffe entzogen. Die Blätter sind aufgrund hoher Trockensubstanz sehr mineralienreich, im Vergleich zu anderen tropischem Blattgemüse, wie "cylon spinach" (Basella alba) oder "water leaf" (Talinum triangulare), die höhere Erträge pro Zeitabschnitt erbringen, dürften die Nährstoffentzüge in der, wenn auch kurzen, Kulturzeit relativ gering sein (Tab. 10). Allgemeine Düngeempfehlungen (z.B. RICE, 1987; TINDALL, 1983; GRUBBEN, 1977) für Corchorus können sein, 150-500 kg/ha eines N-P-K Volldüngers in Abstanden von 2-3 Wochen, beginnend 1 Woche nach Verpflanzen oder Vereinzeln, zur Stimulation des Neuaustriebs nach den Erntegängen zu geben.

 

2.3.9. Saatguterzeugung

 

Zur Samenproduktion wird Corchorus immer separat gepflanzt. Im Juteanbau ist dies nötig, da zum Zeitpunkt optimaler Faserqualität, wo die Früchte aber noch nicht ausgeformt sind, geerntet wird. Zudem sind Felder zur Saatgutproduktion ausschließlich auf grössere Meereshöhen beschränkt, damit Überflutungen die Pflanzungen in der längeren Kulturzeit nicht gefährden können.

 

Corchorus kann zur Gemüseproduktion bei adequater Wasserversorgung in den äquatornahen Gebieten während des ganzen Jahres angebaut werden, zur Erzielung maximaler Samenmengen ist aber das regionale Klima hinsichtlich Verteilung der Niederschläge zu beachten: Regenfälle zur Fruchtreife können die Kapseln und damit auch die Samen beschädigen oder zu Problemen bei der Saatgutaufbereitung führen. Demnach sollte die Pflanzung zeitlich so gewählt werden, dass die Fruchtausreife (ungefähr 3-4 Monate nach Pflanzung/Saat) in eine regenarme Periode fällt.

 

In äquatorfernen Regionen ist auf die photoperiodische Reaktion von Corchorus olitorius zu achten: Der zur Produktion vegetativer Pflanzenteile bevorzugte Langtag ist zur Samenvermehrung aufgrund mangelhafter Fruchtausbildung nicht geeignet.

 

Pflanzabstände sind mit 0,6-1,2 m grösser als in der Gemüsekultur, da die Pflanze ohne ständige Erntegänge höher und breiter wächst. Der Gefahr von unerwünschten Fremdbefruchtungen wird dabei entgangen, wenn Bestände unterschiedlicher Varietäten mindestens 15 m voneinander entfernt stehen.

 

Generell wird in der Literatur die Fruchternte zum Zeitpunkt morphologischer Reife empfohlen. Man erntet dabei einzelne Triebe oder die ganze Pflanze, wenn als Kennzeichen der Ausreife Blätter abgefallen sind. Wichtig ist die ständige Kontrolle des Bestands, da die ausgereiften Kapseln recht bald aufplatzen und erhebliche Ertragsverlustete entstehen können. Entsprechend Varietät beginnen die Erntegänge ungefähr 13-51 Wochen nach der Pflanzung.

 

Alle diese Aussagen stehen im Widerspruch zu den Untersuchungen von OLADIRAN (1986) zum Einfluß des Erntezeitpunkts von Samen auf deren Keimfähigkeit. Dabei wird eindeutig bewiesen, dass die physiologische Samenreife mit höchstmöglicher Keimung vor dem Zeitpunkt morphologischen Reife liegt, und dass somit Samen aus unreifen (gelben) Kapseln signifikant besser keimen als solche aus reifen (braunen) Kapseln. Wie dieses Saatgut in Hinblick auf nachfolgend beschriebene Aspekte von Ernte und Nachbehandlung reagiert, ist allerdings noch unklar.

 

Samenerträge bei Corchorus olitorius variieren entsprechend Spezie, sind aber aufgrund der samenreichen Kapseln hoch: bei 1,8-2,4 g/Pflanze sind Hektarerträge von 200-400 kg zu erzielen (GRUBBEN, 1977; TINDALL, 1983; EPENHUIJSEN, 1974), das heisst, von einer Pflanze können bei einem TKG von 2,0 g nahezu 1000 Samen gewonnen werden.

 

Eine sorgsame Aufbereitung der mit Wasser oder Wasserstrahl aus den aufgeschnittenen Kapseln herausgelösten Samen ist zur Vermeidung von Schäden wichtig und auch mit einfachen Mitteln zu erreichen: Qualität und Haltbarkeit sind entscheidend vom Wassergehalt in den Samen abhängig. Zusätzlich bieten feuchte Samen Angriffsherde für pilzliche Infektionen wie beispielsweise in Indien durch Macrophomina phaseoli (KUNDU, 1955).

 

Obwohl Samen zur Trocknung allgemein geschützt vor schädlicher UV-Strahlung ausgelegt werden sollen, ist dies in den feucht-heissen Tropen aufgrund zu hoher Luftfeuchte nicht möglich. Trotzdem lässt sich der Wassergehalt durch Trocknung in der Sonne von anfänglich 21% nach 4 Tagen auf rund 7% absenken, ohne entscheidende Verluste an Keimfähigkeit hinnehmen zu müssen. Während der Trocknung müssen Samen in den Tropen nachts in gut verschlossenen Gefässen aufbewahrt werden, da durch im Vergleich zum Tag niedrigere Temperaturen, die Luftfeuchte häufig bis über den Taupunkt ansteigt und Samen das am Tage entzogene Wasser wieder aufnehmen können. Auch nach der Trocknung sind gut verschlossene Gefäße mit einem Trockenmittel (z.B. Blaugel) entscheidende Voraussetzung für eine lange Lagerfähigkeit, wenn man bedenkt, daß ein um 1% höherer Wassergehalt die Lebensdauer von Saatgut halbiert und der Samenwassergehalt ungefähr der relativen Luftfeuchte der umgebenden Luft entspricht. Die Lagerfähigkeit von keimfähigem Corchorus-Saatgut wird in der Literatur wieder sehr unterschiedlich bewertet: KUNDU (1955) hält die Samen für bis zu 4 Jahren lagerfähig und betont, daß auch 6 Jahre alte Samen gleiche Keimfähigkeit wie einjähriges Saatgut aufweisen können. EPENHUIJSEN (1974) hingegen schätzt die Lagerfähigkeit von Corchorus-Saatgut nur auf 8-12 Monate.

 

2.3.10. Krankheiten und Schädlinge

 

Selbst im intensiven, asiatischen Juteanbau hat Corchorus relativ wenig unter Krankheiten und Schädlingen zu leiden. Trotzdem sind Pathogene mit spezieller Ausprägung auf die Pflanze bekannt und tragen Artnamen wie "corchorum" oder "corchori".

 

Im Gemüseanbau sind ernsthafte Schäden noch unbedeutender und pilzliche oder bakterielle Erkrankungen spielen fast keine Rolle im meist extensiv betriebenen Anbau. Bedroht werden C. olitorius-Bestände in erster Linie durch am Blatt fressende Insektenlarven: Besonders beim Befall von Jungpflanzen leiden Wachstum und damit auch Ertrag. Angefressene Blätter sind in ihrer äusseren Qualität betroffen, so dass sie unappetitlich wirken und nicht zu vermarkten sind. Nematoden können zum Problem bei mangelndem Fruchtwechsel werden, da dem Anbauer aber eine Vielzahl von Blattgemüsen aus verschiedenen Pflanzenfamilien zur Auswahl steht, dürften diese Schäden vermeidbar sein. Im kleinen Hausgarten sind grössere Insekten noch leicht mit der Hand abzusammeln, bei grösseren Anbauflächen muss man auf tolerante Herkünfte oder Pflanzenschutzmittel zurückgreifen. Insbesondere bei der Anwendung synthetischer Pflanzenschutzmittel ist darauf zu achten, dass die empfindlichen Blätter nicht geschädigt werden (Anwendungszeitpunkt: möglichst abends!) und Wartezeiten, bei dem ungünstigen Oberfläche-Volumen-Verhältnis und damit verbundener hoher Belastung des Ernteguts, exakt eingehalten werden. Mittel in pulverisierter Form aber auch natürliche Pulver wie Asche sind, wenn auch wirksam, aufgrund verschmutzender Blätter nicht zu empfehlen. Einige wichtige Schädlinge und Krankheiten mit ihren Erkennungsmekmalen, Schadbildern und Bekämpfungsmöglichkeiten sind in Tab. 11. aufgelistet:

 

Pathogen

Beschreibung

Schädigung

Bekämpfung

1. Schädlinge

 

 

 

Acraea terpsichore

"sweet potato

butterfly"

Adulti: tieforanger

Schmetterling mit 4 cm

Flügelspannweite;

Flügel dunkelbraun um-

randet und gepunktet

Larve: gelblich-grün

Skelettfrass an Blättern

einer Pflanze; nach 8

Tagen Befall einer

anderen Pflanze

Insektizide

 

mit vielen verzweigten,

schwarzen Vorsprüngen

 

 

A. acerata

Adulti: blassorange

Farbe ohne Punktierung

Spodoptera exigua

"beet army worm"

hellgrün gestreifte

Schmetterlingsraupe;

bis 5 cm lang

junge Raupen fressen

an Blattunterseite;

ältere Raupen am

ganzen Blatt

Insektizide

Podagrica sjostedti

"leaf beetle"

Elytren: glänzend

dunkelblau;

Kopf,     Thorax u. Unter-

seite: braun;

3,5 mm lang

Adulti:       fressen Löcher

in Blätter;

Larve: an Wurzel;

ohne grosse Schäden

Frass an grünen Kapseln

tolerante

Spezies

P. uniforma

Elytren: braun

scheinend

2. pilzliche

Erkrankungen

 

 

Sclerotium rolfsii

"wilt"

Kragenfäule; Stengelbasis innen verbräunt;

aussen: schwarz mit weissem Mycel; hart und

eingesunken;

Chlorose, Welke und Absterben der Pflanze

Pflanzenreste u.

abgefallene

Blätter entfernen

tiefes Umgraben

3. Nematoden

 

 

 

Meloidogyne ssp.

"root-knot nematode"

Wurzelnematode;

1 mm lang

Wurzelgallenbildung;

zerstört Leitungs-

bahnen;

Welke;

bes. ältere Pflanzen

Fruchtwechsel;

tolerante

Spezies

Tab. 11. Wichtige Schädlinge und Krankheiten von Corchorus olitorius (EPENHUIJSEN, 1974 und RICE, 1987).

 

2.3.11. Sonstige Nutzungsmöglichkeiten

 

Corchorus olitorius hat neben der Jutegewinnung und Nutzung als Gemüsepflanze noch weitere, wenn auch unbedeutende Verwendungszwecke:

 

In Indien und Ägypten dienen getrocknete Blätter und Samen seit altersher als Medizin. Erstere sollen als Tonikum gegen Erkältungen, Lähmungen und Blähungen wirksam sein, eine herzwirksame Fähigkeit soll ebenso wie bei den glykosidhaltigen Samen vorhanden sein.

 

Pflanzenreste, die nach Fermentation und Extraktion der "Jute"-Fasern rückbleiben, sind weich und leicht entflammbar. Werden sie nicht wieder auf die Felder gebracht, ist eine Nutzung zur Treibstoffgewinnung oder als Grundstoff für Papier möglich.

 

Letztendlich enthalten Corchorus-Samen fast 15% Öl, das in der technischen Nutzung zur Seifen- oder Farbenherstellung und nach Raffinieren auch als Speiseöl geeignet ist.

 

2.4. Hibiscus sabdariffa L. var. sabdariffa (Malvaceae)

 

Description: Monografie über einige tropische Gemüsearten unter besonderer Berücksichtigung der Blattnutzung_Pic40

Abb. 11. Hibiscus sabdariffa var. sabdariffa L. mit lokalem Volksnamen in Ghana.

 

2.4.1. Herkunft und Verbreitung

 

Hibiscus sabdariffa stammt aus der formenreichen Familie der Malvaceae, wo allein in Westafrika 33 Arten unterschieden werden (HUTCHINSON, 1963). Auch innerhalb der Art sind morphologische Varianten so vielfältig, daß die Abgrenzung der mit aus dem Türkischen stammenden Namen "sabdariffa" bezeichneten Varietät ziemlich willkürlich bleiben muß. So entwickelten sich besonders durch Verbreitung in die verschiedenen Weltregionen Spezies mit vielfältigen Verwendungszwecken, die in den Unterschieden der anatomischen Ausprägung begründet liegen.

 

Gemeinsames genetisches Ursprungsgebiet sind die tropischen Regionen West-Zentralafrikas, wo erste Zeichen einer Domestikation genetischer Vorfahren von H. sabdariffa im westlichen Sudan zur Zeit 4.000 v.Chr. zu finden sind (SIMMONDS, 1976). Man vermutet die Entstehung von H. sabdariffa aus einer der beiden, parallel entstandenen und damals durch verschiedene Völker genutzten, Hibiscus-Arten H. acetonella im heutigen Angola oder H. mechowii ("weedy H. sabdariffa", heutiges Uganda), wobei bei letztere Art die Nutzung der essbaren Samen im Vordergrund zu stehen schien (WILSON, 1964; CRANE, 1949). Andere Spezies dienten jedoch seit Domestikationsbeginn hauptsächlich als Faserpflanze (H. cannabinus, H. sabdariffa var. altissima), obwohl auch wie bei H. sabdariffa var. sabdariffa Blätter geniessbar sind.

 

Unbekannt ist, welche der auch heute noch in Afrika wild wachsenden Arten als Gemüsepflanzen nach Südost-Asien gelangten, um dort im Laufe der Geschichte vermehrt als Faserpflanze selektiert und genutzt zu werden. Die Kultivierung zur Gewinnung der juteähnlichen Bastfasern hat aufgrund geringer Standort- und Klimaansprüche, schneller Wachstumsgeschwindigkeit und anspruchsloser Kulturführung zu einer Ausweitung der Anbauflächen von H. cannabinus ("Kenaf') besonders in Problemzonen geführt. H. sabdariffa ("Roselle") weist schwächeres Wachstum auf und die Fasern sind mechanisch schwer zu gewinnen (REHM, 1984). Vorteil gegenüber der intensiv angebauten Jute ist aber die hohe Toleranz gegen Wurzelnematoden und macht auch diese Art für den Anbau in Problemzonen attraktiv.

 

Ebenso unklar wie die Einführung nach Asien ist die Verbreitung nach Amerika. Während H. sabdariffa schon im 16. Jahrhundert nach Brasilien gelangt sein soll (SIMMONDS, 1976), gilt es als sicher, dass westafrikanische Sklaven die Pflanze 1707 nach Jamaika verbreiteten, von wo sie gegen Ende des 19. Jahrhunderts nach Florida und Kalifornien gebracht worden ist (CRANE, 1949). Erste Hinweise auf eine Nutzung in Australien sind ebenfalls auf diesen Zeitpunkt datiert.

 

Hier, wie auch im Süden der USA, stand immer die Nutzung der verdickten, saftigen Blütenkelche in der Lebensmittelindustrie im Vordergrund, während die lang und unverzweigt wachsenden Typen in den tropischen Regionen Amerikas (z.B. Cuba) zur Faserproduktion in Kultur genommen wurden. Da sie teilweise aus ihrer Nutzung heraus verwilderten, wird gelegentlich Zentralamerika fälschlicherweise als Ursprungsgebiet von H. sabdariffa angegeben (z.B. OCHSE, 1977).

 

2.4.2. Botanische Klassifizierung

 

Die exakte botanische Bestimmung der Hibiscus-Arten ist schwierig, da morphologische Merkmale von Arten und Varietäten meistens ineinander übergehen. Die von HUTCHINSON (1963) beschriebenen 33 Arten in Westafrika (Corchorus z.B. nur 7) variieren in ihrem Wuchs von baum- bis weinartigem Habitus, Blatt- und Blütenform unterscheiden sich deutlich in Grösse und Färbung. WILSON (1964) differenziert in Florida/USA 16 Hibiscus-Spezies insbesondere im Hinblick auf Gestalt der generativen Pflanzenteile und nur 3 dieser Arten sind mit denen von ersterem Autor beschriebenen identisch.

 

Häufiger Fehler in der älteren Literatur ist die Gleichsetzung von Hibiscus cannabinus ("Kenaf") und den langstieligen Varietäten von H. sabdariffa (var. altissima, "Roselle"), da sie hinsichtlich Kultivierung und Standortansprüche ziemlich identisch sind. Gelegentlich werden beide Faserpflanzen auch gemeinsam als "Kenaf' bezeichnet.

 

CRANE (1949) hält zwei Klassifizierungsschemata für geeignet, Hibiscus sabdariffa (1.) von anderen Arten, wie besonders H. cannabinus, abzugrenzen und (2.) Varietäten innerhalb der Art zu unterscheiden: Neben 2 Olitorius-Spezies zur reinen Fasergewinnung beschreibt er 3 Varietäten mit gleichsamer Frucht- und Fasernutzung, sowie vier Varietäten ausschliesslich zur Gewinnung der Früchte. Als wichtigstes morphologisches Unterscheidungsmerkmal dient ihm dabei die Pigmentierung bzw. Färbung einzelner Pflanzenteile wie Spross, Blatt, Blütenkelch und -krone. Nur beiläufig wird die Möglichkeit der Klassifizierung von Hibiscus sabdariffa in einen langwachsenden, unverzweigten, zur Fasergewinnung geeigneten Typ und einem kurzen, vielverzweigten und vorwiegend zum Genuss der Blätter und Blütenkelche dienenden Typ erwähnt, obwohl sich diese Einteilung im Gemüsebau als am sinnvollsten erweist und auch in der jüngeren Literatur durchgesetzt zu haben scheint. Im Gegensatz zur Jute, wo eine wichtige Art nicht als Gemüse verzehrbar ist, sind die Blätter der nachfolgend aufgeführten Hibiscus-Spezies allesamt essbar, die Pflanzen aber aufgrund sich unterscheidendem Wuchshabitus mehr oder weniger zur Gemüseproduktion geeignet:

 

Varietät                   

Spross

Blütenkelch

Ausprägung

Farbe

Behaarung

Nutzung

Chromosomen‑

satz

Hibiscus

cannabinus L.

stachelig

bis

rauhaarig

nicht

fleischig

grün

wollig

behaart

Faser

(Blatt)

2n = 36

Hibiscus

sabdariffa L.

var.     altissima

weichhaarig

nicht

fleischig

grün

kahl

Faser

(Blatt)

2n = 72

Hibiscus

sabdariffa L.

var.     sabdariffa

weichhaarig

fleischig

gelb

bis

rot

kahl

Kelch

Blatt

2n = 72

Tab. 12. Unterscheidung von H. sabdariffa var. sabdariffa zu ähnlichen Hibiscus-Spezies (CRANE, 1949; EPENHUIJSEN, 1974; HUTCHINSON, 1963; SIMMONDS, 1976 und WILSON, 1964).

 

2.4.3. Morphologie

 

Hibiscus sabdariffa var. sabdariffa ist generell einjährig und krautig, der zylindrische, faserhaltige Spross verholzt im Laufe der Entwicklung an der Basis und wird entsprechend Varietät oder Herkunft 1,20 bis 2,00 m, bei Übergangsformen zu H. sabdariffa var. altissima sogar bis 3,50 m hoch. Art der Behaarung und Färbung sind wichtige Bestimmungsmerkmale, da Sprosse von H. sabdariffa nicht rauhaarig oder stachelig wie die von H. cannabinus sind. Rotfarbige Formen bleiben meist kurzwüchsig und dichtverzweigt, während grüne Sprosse auf den langen und wenigverzweigten Typ von H. sabdariffa var. altissima hinweisen. Seitentriebe können besonders bei den kurzwüchsigen Spezies sehr lang werden, so dass die gesamte Pflanze eine Fläche von bis zu 4 m2 einnimmt (EPENHUIJSEN, 1974). Dabei werden die unteren Triebe spröde und brechen leicht an der Basis zum verholzten Hauptsproß ab.

 

Description: Monografie über einige tropische Gemüsearten unter besonderer Berücksichtigung der Blattnutzung_Pic43
Abb. 12. Hibiscus sabdariffa var. sabdariffa L.

 

Blätter sind innerhalb der Varietät und sogar an der Einzelpflanze von variabler Gestalt, was in der Umgebung (z.B. Tageslänge) und Position an der Pflanze begründet zu liegen scheint (MANSOUR, 1975). Sie können von ovaler, ungeteilter Form sein, andere sind 3-bis 5-fach gelappt bzw. geteilt oder aber auch verlängert lanzett- bis fingerförmig und dabei 3- bis 5-fach eingeschnitten, besonders wenn sie an der Pflanze weiter oben positioniert sind. Meist ist das gesamte Blatt 5-15 cm lang und die einzelnen Lappen bzw. Finger 1-4 cm breit. Die Ränder sind am Blattgrund meist schwach, an den Zipfeln der spitzen Blattfingern aber teilweise scharf gezähnt. Sie stehen wechselständig, mit verschiedenförmigen, 0,5-0,8 cm langen Nebenblättern an den Trieben und am Übergang Blattstiel zu Blattgrund kann sich eine Nektarie befinden, deren orangefarbenes Sekret insektenanlockend wirkt (EPENHUIJSEN, 1974).

 

Description: Monografie über einige tropische Gemüsearten unter besonderer Berücksichtigung der Blattnutzung_Pic44
Abb. 13. Blattformen von Hibiscus sabdariffa var. sabdariffa L.

 

Die radiären Blüten entspringen kurz gestielt (0,5 cm) einzeln in den Blattachseln und werden 3,5-7,0 cm lang und 2,0-4,0 cm breit. Corolla und Innenkelch sind 5-teilig, letzterer besteht aus bei der Vollblüte fleischig werdenden, konisch zulaufenden, Petalen hellgelber bis dunkelroter Färbung. Die hervorstehende Mittelrippe (bzw. zwei seitlich eingesenkte Rinnen), fehlende Behaarung und eine Drüse im unteren Teil sind spezifische Erkennungs-merkmale für H. sabdariffa var. sabdariffa. Der 5-teilige und sich ebenfalls nach Befruchtung und abfallender Corolla verdickende Außenkelch ist an der Basis mit dem Innenkelch verwachsen, nur 1/4 so lang und endet in pro Segment 1-3 glatten, grünfarbenen Zipfeln, die schräg-aufrecht von den anderen Blütengliedern abstehen.

 

5 Sepalen geben der Blüte die für Malvaceae typisch gedrehte Form, sie sind am Ende rund, von blassgelber Farbe und können innen an der Basis ein gelblich bis rotes Auge besitzen. Das Androeceum ist zu einer aufrechten, orange- bis purpurfarbenen Säule mit zahlreichen Staubblättern verwachsen und wird 1,5-2,0 cm lang. Aus dem verwachsenen, oberständigen Gynoeceum entwickelt sich als Frucht eine Kapsel mit 5 Karpellen, die 2,0-2,5 cm lang werden und in je 2 Reihen jeweils 3-4 Samen enthalten.

 

Die Samen sind dunkelbraun, im Durchmesser 4-5 mm groß und haben drei mehr oder weniger breitwinklig gerundete Ecken. Bei einem TKG von 25 g sind in einer Frucht 22-34 Samen enthalten.

 

2.4.4. Standortansprüche

 

Obwohl die zahlreichen Herkünfte von Hibiscus sabdariffa var. sabdariffa als anpassungsfähig im Hinblick auf Boden und Niederschläge gelten, ist die Pflanze aufgrund ihrer hohen Ansprüche an die Temperatur auf den tropisch-subtropischen Klimagürtel beschränkt. REHM (1984) sieht die Anbaugrenze von Hibiscus sabdariffa var. altissima bei den Breiten-graden 20° Nord bzw. Süd und CRANE, 1949 schliesst Meereshöhen über 600 m für einen ökonomischen Faserertrag aus. Generell sind hohe Tagestemperaturen (25-27°C) zur Produktion von vegetativer Pflanzenmasse (Kennzeichen: Pflanzenhöhe, Nodienbildung, Verzweigung, Länge von Seitentrieben) optimal (KHAFAGA, 1980; MANSOUR, 1975), eine tägliche Amplitude, sprich kühlere Nachttemperaturen (22°C), verstärken diesen Effekt.

 

H. sabdariffa var. sabdariffa stellt hohe Anforderungen an die Strahlung, in der photoperiodischen Reaktion ist aber anstatt Strahlungsquantität, die Strahlungsqualität zur Induktion der Blütenknospen ausschlaggebend: Bei einer Unterschreitung der kritischen Tageslänge von ungefähr 121/2 h induzieren die, entsprechend Herkunft obligat oder mehr fakultativen, Kurztagpflanzen, im 16 h-Tag produziert H. sabdariffa var. sabdariffa hingegen grosse Blattmassen. Kulturmethoden, sprich Aussaattermine, sind also auf die speziellen Verhältnisse an den Standorten, besonders wenn diese äquatorfern liegen, anzupassen, um H. sabdariffa var. sabdariffa für den Gemüseanbau geeignet zu machen.

 

Geringere Beachtung ist den Niederschlägen zu widmen, da die Pflanze generell sehr trockenresistent ist, aber entsprechende Herkünfte auch an ein regenreiches Klima angepasst sind und wirtschaftliche Erträge bringen können. Ansprüche werden im Anbau der Faserform von H. sabdariffa mit insgesamt 460-510 mm in 3-4 Monaten Kulturdauer angegeben (CRANE, 1949) und sind damit deutlich niedriger als z.B. die von Corchorus olitorius (750-1000 mm in 3-4 Monaten).

 

Bezüglich der Anforderungen an Böden gilt H. sabdariffa als variabel, dennoch werden staunasse oder überflutungsgefährdete Lagen nicht vertragen und zu leichte, sandige Böden können in Trockengebieten problematisch aufgrund zu geringer Wasserhaltefähigkeit werden. Der pH-Wert sollte im leicht sauren Milieu bei 6-7 liegen und beste Erträge sind von einem entsprechenden Gehalt an Humus und Nährstoffen im Boden abhängig.

 

Ein beispielhaftes Anbaugebiet, dass die obigen Standortansprüche in vielen Regionen vereint, sind die trocken-heissen Zonen des afrikanischen "Sahel", wo Hibiscus sabdariffa als Blattgemüse ("dah") genutzt wird und auch die fleischigen Blütenkelche im winterlichen Kurztag geerntet werden.

 

2.4.5. Physiologie

 

Samenkeimung

Die Versuche von MANSOUR (1975) zur Samenkeimung einer ägyptischen Herkunft von H. sabdariffa var. sabdariffa im temperaturgeregelten Inkubator verdeutlichten die hohen Temperaturansprüche während dieser Entwicklungsphase: Bei konstant 25°C zeigte sich die höchste Keimrate und -geschwindigkeit. Knapp 80% aller getesteten Samen liefen innerhalb 3-8 Tagen auf, das Temperaturoptimum schien aber noch einige Grade höher zu liegen. Mit sinkendem Wärmeangebot stellte sich eine Verzögerung des Keimerfolgs und Senkung der Keimrate ein, bis daß sich bei 17°C nur noch schwache, vergilbte und bald absterbende Keimlinge entwickelten.

 

In der Literatur sind keine Hinweise auf eine Samenruhe bei H. sabdariffa zu finden, jedoch scheint dies von der jeweiligen Herkunft abzuhängen. Im eigenen Versuch liessen sich Samen einer Herkunft aus Damongo in Zentral-Ghana (9. Breitengrad; Feuchtsavanne) nach 14 Tagen im Inkubator bei konstant 25°C nicht keimen lassen und erst der Einsatz von Gibberellin (200 ppm Konzentration; 24 h im Automaten geschüttelt) führte nach 3 Tagen, wenn auch mit geringer Erfolgsquote, zur Keimung.

 

Blattmorphologie

Die morphologische Ausprägung der Blätter scheint in physiologischen Prozessen begründet zu liegen, die (1.) von der Position an der Pflanze und (2.) von Photoperiodismus, bzw. Entwicklungsphase der Pflanze abhängig sind. In der Entwicklung früh gebildete, an der Basis positionierte Blätter haben eine breit-ovale Ausprägung, während spätere, weiter oben liegende Blätter mehrfach gelappt sind. Wächst H. sabdariffa var. sabdariffa im Langtag vegetativ, so sind die Blätter bis 5-fach gelappt, im Kurztag (< 121/2 h) sind sie meist 3-fach gelappt, an unterer Position flach, breit und zugespitzt, höher gelegene aber mehr schlank. Tritt die Pflanze in die generative Phase ein, entwickeln sich die Blätter schmäler (schmal-oval bis lanzettförmig), sind aber ungeteilt (MANSOUR, 1975).

 

Thermosensibilität

Die Intensität des in der Kultivierung von H. sabdariffa var. sabdariffa als Blattgemüse erwünschten, vegetativen Wachstums ist u.a. entscheidend von den Temperaturverhältnissen abhängig: Bestes Wachstum zeigt sich bei Temperaturen von über 25°C, unter 17°C kultiviert, zeigen die Versuche von MANSOUR (1975) und KHAFAGA (1980) chlorotische und schlecht wachsende Pflanzen. Ein Thermoperiodismus mit nächtlich abgesenkten Temperaturen (z.B. 27°C tags - 22°C nachts) scheint in dieser Hinsicht günstiger als konstante Tag-/Nachttemperaturen zu sein. Zu niedrige Temperaturen können die Induktion unter Kurztagbedingungen beschleunigen, höhere Temperaturen sie aber eventuell verzögern (MANSOUR, 1975).

 

Photoperiodismus

H. sabdariffa var. sabdariffa wird in der Literatur grundsätzlich als obligate KT-Pflanze beschrieben. Die Versuche von MANSOUR (1975) und KHAFAGA (1980) beweisen, daß ein rein photoperiodischer Effekt die Induktion auslöst, die Lichtquantität aber offensichtlich ohne Einfluss bleibt. Bei Tageslängen von 8 h induzieren die Pflanzen am besten und unabhängig von ihrem Alter, da sogar schon im Kotyledonarstadium erste Blüten gebildet werden können.

 

Die Dauer des Einwirkens von KT-Bedingungen ist auch im Hinblick auf Förderung von vegetativem Wachstum zu beachten: Länger als 6 Wochen unter KT gehalten, findet generell die Umstimmung statt, wenn auch die Bildung weiterer Blüten durch anschliessende LT-Verhältnisse verhindert werden kann. Wirkt KT jedoch nach vorausgehenden LT‑ Bedingungen nur für 2-3 Wochen auf die Pflanzen ein, so werden die lateralen Knospen zu vegetativem Austrieb angeregt und Pflanzenhöhe bzw. Seitentrieblänge sind grösser als unter reinen LT-Verhältnissen. Sogar eine KT-Einwirkung von 4-6 Wochen ist förderlich für das vegetative Wachstum, obwohl bei dieser Dauer schon einige Blüten angelegt werden.

 

Diesen Versuchsergebnissen zu Wechselbehandlungen KT/LT bzw. LT/KT stehen die Erfahrungen gegenüber, dass ein konstanter 16-h-Tag zu maximalem vegetativem Wachstum, also Blattmasse, führt. Das Vorhandensein mehrerer induktiver Zyklen wie in Äquatornähe, ist im Anbau zur Gewinnung der Blütenkelche aufgrund kontinuierlicher Erntemöglichkeiten erwünscht, die Auswirkungen der oben beschriebenen Prozesse auf eine Gemüsekultur in Regionen verschiedenen Breitengrads mit unterschiedlichen Lichtverhältnissen ist jedoch noch unerforscht.

 

Apikaldominanz

Der Verzweigungsgrad der verschiedenen Herkünfte beruht auf einer mehr oder wenig starken Apikaldominanz bei H. sabdariffa. Die Austriebshemmung der lateralen Knospen liegt begründet in der Intensität der Abgabe von Auxin (IES) durch die Endknospe in die Achse und ist u.a. genetisch bedingt (unverzweigte/verzweigte Herkünfte). Sie kann durch ökologische Faktoren wie z.B. hohe Lichtstärke oder aber auch mechanisch gebrochen werden. In der Gemüsekultur empfiehlt sich eine Dekapitation wenig verzweigender Typen, um einen Austrieb der korrelativ gehemmten Seitenknospen auszulösen.

 

2.4.6. Kultivierung

 

Bodenvorbereitung

Ähnlich der Corchorus-Kultur ist eine gute Bodenvorbereitung, besonders bei Direktsaat, unerlässlich. Der ausgeprägten Primärwurzel von Hibiscus sabdariffa soll dabei durch Pflügen und Einbringen von reichlich organischer Masse ein lockeres und tiefgründiges Bodenprofil geboten werden. Allgemein wird auf die Bedeutung einer guten organischen Düngung im Zuge der Bodenvorbereitung hingewiesen: In Afrika und Java gelten 90-200 dz/ha (!) organisches Material, z.B. aus einer Gründüngung mit Leguminosen in der Vorfrucht, als Grundlage für eine erfolgreiche Kultur (CRANE, 1949). Die Pflanzen sollen dabei erst kurz vor Kulturbeginn von H. sabdariffa var. sabdariffa eingepflügt werden.

 

Direktsaat

Zur Direktsaat auf ein entsprechend gut vorbereitetes Beet werden mehrere Systeme empfohlen. Obwohl die breitwürfige Saat relativ unkompliziert ist, birgt sie doch die Gefahr ungleicher Bestände. Daher sät man grosszügig 5,5-7,5 kg/ha Saatgut aus und vereinzelt möglichst bald nach dem Auflaufen (6-10 Tage) auf Endabstände, die entsprechend Wüchsigkeit der Varietäten, Bodenfruchtbarkeit und Wasserangebot, mit 20-150 cm anzugeben sind. In der Reihenkultur drillt man Samen oder sat 3-5 Korn in Dippeln rund 2-3 cm tief aus und vereinzelt die Sämlinge später. Reihenabstände sind wieder sehr variabel und entsprechen den Weiten bei der breitwürfigen Saat. Mit der Variation der Pflanzenabstände ist es möglich, Wuchs und Erträge zu steuern. Zur Faserproduktion sind Weiten von 8-30 cm üblich und in der Gemüsekultur wird die Entwicklung der Blütenkelche, die einen etwas niedrigeren Nährwert als die Blätter aufweisen, durch weitere Abstände (bis 275 cm) gefördert.

 

Jungpflanzenanzucht

Für breitwachsende Varietäten mit entsprechend grossen Pflanzabständen und niedrigerem Saatgutbedarf, empfiehlt sich die vom Feld getrennte Vorzucht von Jungpflanzen. Die in einem Sand-Torfgemisch (1:1) schon ab dem 3. Tag auflaufenden Sämlinge werden mit etwas grösseren Abständen als in direkt gesäten Beständen, möglichst frühzeitig verpflanzt.

 

Vegetative Vermehrung

Lediglich RICE (1987) und KHAFAGA (1980) erwähnen die Möglichkeit von vegetativer Stecklingsvermehrung bei Hibiscus sabdariffa, obwohl diese Kulturmethode verschiedene Vorteile bietet und auch in Ägypten vereinzelt praktiziert wird. Vorteile zu generativer Vermehrung sind:

 

-   geringerer Saatgutbedarf

-   geringere Flächenbelegung im Kulturverlauf aber unbeeinflusste Gesamtvegetationszeit

-   Selektionsmöglichkeit optimaler, gesunder Mutterpflanzen

-   gleichmässigere Bestände.

 

Der Zeitpunkt der Stecklingsentnahme von den, in einem Teil der Anbaufläche ausgesäten, Mutterpflanzen richtet sich, falls diese Kulturmassnahme durchgeführt wird, nach dem Termin der Dekapitation. Stecklinge von gestutzten Pflanzen zeigen die günstige Eigenschaft schwächerer Apikaldominanz und verzweigen sich daher besser. In der Kultur zur Gewinnung der Fruchtkelche vermehrt man die Mutterpflanzen erst 4-5 Monate nach Aussaat mit Erscheinen der ersten Blütenknospen, da sich erwies, daß die Blühfähigkeit bei den Stecklingen ohne Zeitverzögerung erhalten bleibt (KHAFAGA, 1980). Die Anforderungen an die vegetative Vermehrung in einer reinen Blattgemüsekultur sind allerdings noch nicht untersucht worden.

 

Heckenpflanzung

Eine extensive, aber besonders bei begrenzten Flächen (z.B. Gärten in Städten) zu empfehlende Kulturvariante ist das Heranziehen von Hecken, die nicht nur äusserlich anspruchsvoll durch die farbigen Blütenkelche wirken, sondern auch durch regelmäßigen Formschnitt eine Quelle für frisches Gemüse sein können (MARTIN, 1979).

 

Mischkultur

Nähere Untersuchungen über die Ertragsentwicklung von H. sabdariffa var. sabdariffa in Mischkultur mit anderen Pflanzen sind nicht vorhanden, jedoch werden kombinierte Anbauformen mit Yam (EPENHUIJSEN, 1974), Getreide (DUPRIEZ, 1989) und Hevea-Gummi (CRANE, 1949) in der Literatur beschrieben.

 

weitere Kulturarbeiten

Da sich H. sabdariffa-Bestände schnell entwickeln, sind aufwendige Hackarbeiten kaum nötig und 1-2 Arbeitsgänge nach dem Auflaufen direkt gesäter Pflanzen entsprechend Unkrautdruck und Saatbeetbereitung meist ausreichend (CRANE, 1949). Für ökonomische Erträge ist eine Beregnung in Trockenperioden und eventuell Düngung empfehlenswert.

 

Bereits angesprochene Dekapitation stellt besonders bei hochwüchsigen Varietäten sicher, dass sie sich lateral besser verzweigen. Der optimale Zeitpunkt des Entfernens der obersten Triebspitze wird von KHAFAGA (1976) mit 2-3 Monaten nach Kulturbeginn angegeben. Wie bei Corchorus bedeuten die laufenden Erntegänge Verjüngung für die Pflanze. Durch tiefen Rückschnitt über dem Boden ist es darüber hinaus möglich, einsetzendes Blühen und Fruchten im Kurztag zu verzögern.

 

2.4.7. Ernte und Ertrag

 

In der Regel kultiviert man Hibiscus sabdariffa var. sabdariffa nicht zur ausschliesslichen Blatternte, sondern parallel auch zur Ernte der Früchte. Einzelne Blätter und ganze, junge Schosse werden in einem Zeitraum von 2 Monaten, beginnend 3-4 Monate nach der Vermehrung, ständig geschnitten. Erträge von Blatt und Fruchtkelchen sind bei GRUBBEN (1977) mit 100-250 dz/ha (Mittelwert: 160 dz/ha) bei einer Pflanzdichte von 20.000 Pfl/ha (entspr. 0,7 m zwischen den Pflanzen) angegeben und OOMEN (1978) grenzt 100 dz/ha Blatternte von 80 dz/ha Fruchtkelchen ab. In der Kultur zur ausschließlichen Ernte der frisch und getrocknet auch als Gemüse nutzbaren, Früchte ist die Gesamtkulturzeit länger, da 2½-4 Monate geerntet werden kann. Einen Einfluss auf Erntedauer und Erträge hat dabei der Zeitpunkt der Fruchternte. Normalerweise werden vollausgefärbte, pralle, aber noch nicht verholzte Früchte circa 15 Tage nach der Blüte geerntet, ein früherer Termin schon bei Erreichen der vollen Fruchtgrösse hat aber einen positiven Einfluss auf den Gesamtertrag. Erträge der fleischigen Fruchtkelche liegen dabei wie in Florida bei 1,4-6,8 kg/Pfl, d.h. bei ungefähr 1 Pfl/m² (Pflanzabstände: 90-120 cm), können ungefähr 140-680 dz/ha geerntet werden (CRANE, 1949).

 

Die folgenden Daten können allerdings nur einen Überblick über die Kultivierung der zahlreichen Varianten von H. sabdariffa var. sabdariffa geben:

 

Saatgut-

bedarf

Kulturmethode

Pflanzen-

endabstand

Pflanz-

dichte

Kultur-

dauer

Ernte-

dauer

Ertrag

 

Direktsaat

mit Ausdünnen

 

 

 

 

100-250

bis

6 kg/ha

Vorzucht mit

Pflanzung

20-150

20-150 cm

4-250

Tausend

180

Tage

60

Tage

(x:160)

dz/ha

 

Stecklings-

vermehrung

 

Stk/ha

 

 

davon:

56%

Blatt

Tab. 13. Kulturdaten von Hibiscus sabdariffa var. sabdariffa (nach: GRUBBEN, 1977; EPENHUIJSEN, 1978 und OOMEN, 1978).

 

Abschliessend sei bemerkt, dass Blätter und Fruchtkelche als sehr geeignet für Trocknung und Konservierung eingeschätzt werden.

 

2.4.8. Düngung

 

Genauere Untersuchungen über die Wirkung von Düngemitteln auf Wuchs und Ertrag bei H. sabdariffa sind offensichtlich noch nicht durchgeführt worden. Stickstoff- und kalibetonte Dünger scheinen aber deutliche Auswirkungen auf das vegetative Wachstum zu haben. Bei den Fasertypen erwünscht, regen diese Hauptnährstoffe das apikale Wachstum an, begrenzen dabei aber gleichzeitig die Fruchtbildung. Die bereits besprochene organische Düngung mit 10-20 dz/ha N-Gehalten ist wohl wirksamer auf die Erträge als rein anorganische Düngergaben wie z.B. 5 dz/ha Ammoniumsulfat (CRANE, 1949). Für die Kultivierung zur Fruchtgewinnung sollen ausgewogene NPK-Dünger (z.B. 4:6:7) vorteilhaft sein. Im übrigen kann auf die Entzüge durch das Erntegut (Tab. 10.) hingewiesen werden.

 

2.4.9. Saatguterzeugung

 

Auch bei H. sabdariffa var. sabdariffa empfiehlt sich eine von den Gemüsebeständen getrennte Anzucht von Pflanzen zur Saatgutgewinnung. CRANE (1949) beschreibt für Java und Afrika Pflanzweiten von 40-100 cm, die grösser als in Beständen zur Faserproduktion sind, aber ungefähr denen der Blattgewinnung entsprechen. Separate Felder dienen also primär einer zu vereinfachenden Ernte. Da die Kapseln an der Pflanze im Zeitverlauf von unten nach oben ausreifen, werden zur Vermeidung mehrerer Erntegänge die ganzen Pflanzen nach 3-4 Monaten geschnitten, wenn die Früchte in unterer oder mittlerer Position vollreif sind. Die oberen Kapseln reifen nach, so dass man die Pflanzen auf dem Feld liegen lässt und erst vor dem Aufplatzen der unteren Früchte entfernt. Mit Hilfe von Drusch und Windsichtung läßt sich so Saatgut gewinnen, dessen weitere Aufbereitung sowie Lagerfähigkeit in der Forschung noch unbehandelt blieb. Erträge scheinen sehr abhängig von Kulturmethode und Varietät zu sein und reichen von 100 g/Pfl (EPENHUIJSEN, 1974) bis 20 g/Pfl (GRUBBEN, 1977). Nach letzterer Angabe sind bei einer Pflanzdichte von 20.000 Pfl/ha demnach 2-6 dz/ha Samenerträge möglich.

 

2.4.10. Krankheiten und Schädlinge

 

Im asiatischen Faseranbau werden Hibiscus-Arten in problematischen Lagen der Jute vorgezogen, da sie geringere Standort-und Kulturansprüche stellen und auch für trockenere Lagen geeignet sind (CRANE, 1949). H. sabdariffa var. sabdariffa ist zudem gut verträglich gegenüber Wurzelnematoden und wird trotz geringerer Faserqualität auf befallenen Feldern angebaut.

 

Allgemein gesprochen ist Roselle in der Gemüsekultur wenig anfällig für Krankheiten und Schädlinge und einige der nachfolgend aufgeführten Schäden entstehen nur an Früchten. Dennoch können pilzliche Erkrankungen zu hohen Verlusten führen und müssen durch vorbeugende hygienische Massnahmen sowie rasches Vernichten infizierter Pflanzen begrenzt werden.

 

Pathogen

Beschreibung

Schädigung

Bekämpfung

1. Schädlinge

Dysdercus

superstitiosus

"cotton stainer"

rötlicher Käfer mit

weisser bis schwarzer

Zeichnung;

14-18 mm lang

Saugschäden an Frucht-

kelchen, die sich zu

braunen Flecken ent‑

wickeln

Insektizide

Podagrica sjostedti

"leaf beetle"

Elytren: glänzend

dunkelblau;

Kopf, Thorax u. Unter-

seite: braun;

3,5 mm lang

Adulti: Lochfrass an

Blättern;

Larve: Frass an Wurzeln

tolerante

Spezies

P. uniforma

Elytren: braun

scheinend

Earis insulana

"spiny bollworm"

Larve: braun mit

gelblichen und grau-

schwarzen Flecken;

spindelförmiger Körper

mit vielen Vorsprüngen;

Käfer: gelb-grüne

Mundwerkzeuge;

Spannweite: 2 cm

Larve: beißt sich in

unreife Frucht;

frisst unreife Samen;

mehrere in 1 Frucht

Entfernen und

Vernichten der

Früchte nach

der Blüte

E. biplaga

Adulti: hellbrauner

Punkt bei Weibchen

 

 

2. pilzliche

Erkrankungen

 

 

Colletotrichum

hibisci

"anthracnose"

eingesunkene Läsionen oder Flecken an

Fruchtkelchen

Samenbeizung

Phytophthora

parasitica

"wilt"; "fruit rot"

Kragenfäule: Stengelbasis schwärzlich verbräunt;

hart und eingeschrumpft;

Pflanzenwelke;

Fruchtfäule: Fruchtkelche werden weiß;

weissliches Mycel auf dunklen Flecken

angepasste

Pflanzweiten;

kupferhaltige

Fungizide

Phyllosticta

hibisci

unregelmässig geformte Blattflecken führen zu

absterbendem, hart und brüchig werdendem Gewebe

kupferhaltige

Fungizide

"leaf blight"

 

 

3. Nematoden

Meloidogyne ssp.

"root-knot nematode"

Wurzelnematode;

1 mm lang

Wurzelgallenbildung;

Welke;

bes.      ältere Pflanzen

Fruchtwechsel;

tolerante

Spezies

Tab. 14. Wichtige Schädlinge und Krankheiten von Hibiscus sabdariffa var. sabdariffa (nach EPENHUIJSEN, 1974 und RICE, 1987).

 

2.4.11. Sonstige Nutzungsmöglichkeiten

 

In den Weltregionen mit unterschiedlichem Schwerpunkt verfolgt, zeigen die nachfolgend zusammengestellten Verwendungszwecke das große Potential der Spezies von Hibiscus sabdariffa (WILSON, 1964; CRANE, 1949 und CLYDESDALE, 1979):

 

-   Blattgemüse

-   Arznei- und Gewürzpflanze

-   Faserpflanze

-   Frucht:  - Blütenkelche zur Verarbeitung zu Marmelade

-   Kelche zur Verarbeitung in Konfekt/Süsswaren

-   Saft zur Getränkeherstellung

-   Gewinnung von Lebensmittelfarbstoff

-   Samen: - geröstet oder gemahlen verzehrbar

-   Extraktion von Öl

-   Wurzeln geschält verzehrbar

-   Zierpflanze

-   Holz zum Bau von Musikinstrumenten

-   rituelle Zwecke.

 

Besonders sei auf die Gehalte an verschiedenen Inhaltsstoffen hingewiesen, die die unterschiedlichen Nutzungsmöglichkeiten begründen. Die Blätter enthalten charakteristische Bitterstoffe, Wurzeln Saponine und die fleischigen Fruchtkelche werden wegen ihrer Gehalte an Anthocyanen und Säuren (bes. Citronen- und Hibiscussäure) geschätzt (KHAFAGA, 1976).

 

2.5. Solanum nigrum var. guineense L. (Solanaceae)

 

2.5.1. Herkunft und Verbreitung

 

Weltweit mit geschätzten 1500 Spezies (TANDON, 1974) sind die Arten der Gattung Solanum wohl noch formenreicher als die von Hibiscus. Von krautig- bis strauchförmigem Habitus sind Solanum-Arten in den gemäßigten bis tropischen Klimazonen in Meereshöhen bis zu 2500 m vertreten, während speziell S. nigrum nur im subtropisch-tropischen Bereich wächst.

 

In Westafrika werden 22 Solanum-Arten unterschieden (HUTCHINSON, 1963), wobei die exakte Abgrenzung von Solanum nigrum var. guineense z.B. zu der weitläufig kultivierten Art S. macrocarpon L. oder auch S. guineense L. schwierig ist und im Gemüsebau von geringerer Bedeutung ist, da selbst innerhalb der Varietät Formen mit giftigen Blättern und Früchten vorkommen. Im Gegensatz zu den wichtigsten Hibiscus-Arten, deren Blätter durchweg geniessbar sind, ist daher Vorsicht beim Genuss der Herkünfte von S. nigrum var. guineense geboten und ungefährliche Spezies auszuwählen. In Mittelamerika wächst die Art vornehmlich in warmen Zonen mit ausgesprochenen Trocken- und Regenzeiten bis 600 m Meereshöhe (ENGELS, 1986), in Südostasien (z.B. Java) ist sie kultiviert oder wild in ungenutzten oder genutzten Landstrichen, von den Tiefebenen bis in die Berge verbreitet (OCHSE, 1977). In den tropischen Tiefländern Westafrikas liegen die genetischen Ursprünge der Art, die dort wild oder kultiviert vorkommt.

 

Großfruchtige Formen dienen primär dem Verzehr der Früchte, wogegen bei anderen die Gewinnung der Blätter und jungen Sproße im Vordergrund steht. In der orientalischen Medizin sollen Säfte aus den Früchten wirksam gegen Magenerkrankungen und Fieber sowie blutreinigend wirken, in Südostasien werden sie als Zutat bei Gewürzsaucen geschätzt. Blättern und Sprossen sagt man ausserdem eine heilende Wirkung auf Hauterkrankungen nach. Die Art der Verwendung ist dabei nicht alleine abhängig von der Morphologie oder vom Vorhandensein bestimmter Inhaltsstoffe der Herkünfte, sondern auch von den Traditionen der sie nutzenden Gesellschaften. So wird S. nigrum z.B. in Indien nur zur Gewinnung der Früchte angebaut, in Ghana gilt die Art oft als Blattgemüse obwohl in einzelnen Regionen nur die Fruchtnutzung bekannt ist.

 

Die genetischen Ursprünge liegen offensichtlich in Westafrika, obwohl auch eine Einführung in diesen Grossraum ausgehend von Südafrika wie bei S. guineense L. (HUTCHINSON, 1963) denkbar ist. Die Aufführung von S. nigrum sens. lat. in einer "Liste der in Zentralamerika beheimateten Kulturpflanzen" von ENGELS (1986) der die ursprünglichen Populationen in Guatemala angesiedelt haben sehen will, ist daher zu bezweifeln.

 

Heute sind die Varianten, die teilweise schlicht als S. nigrum L. bezeichnet werden und auch Produkt häufiger Hybridisierung zwischen den Arten sein können, in allen tropischen Regionen verbreitet und gelten meist als Wild- oder Unkrautpflanzen, die besonders an Strassenrändern, Gewässerufern, in Feldern oder ungenutzten Landstrichen angesiedelt sind.

 

2.5.2. Morphologie

 

Ähnlich der Klassifizierung von Corchorus werden die zahlreichen Formen von Solanum nigrum var. guineense primär nach morphologischen Gesichtspunkten unterschieden. Grundsätzlich ist die Art sehr wuchs- und vermehrungsfreudig, was ihr meist wildes Auftreten in vielen tropischen Regionen begründet.

 

Die Sprosse von Varietäten der dichtverzweigten, krautigen Annuellen können einerseits kräftig sein und ziemlich aufrecht 30-90 cm hoch wachsen, andere Typen mit vergleichsweise schwachen Achsen neigen sich bei einer Höhe von rund 75 cm zu Boden und können sich bis 120 cm ausbreiten (EPENHUIJSEN, 1974).

Im Querschnitt von annähernd quadratischer Form ist der Sproß äußerlich meist purpurfarben getönt und glatt bis behaart. Dabei können von den Kanten Sprossdornen hervorstehen, die besonders an ihrer Basis hell- bis tief violett gefärbt sind.

 

Die Blätter stehen wechselständig an den Trieben und sind von lappiger, ungeteilter Form. Verlängert-eiförmig bis elliptisch, aber auch breit-oval laufen sie an Basis und Spitze mehr oder weniger eng zusammen und werden 6-25 cm lang. Die dunkelgrüne Spreite wird durchzogen von violettfarbenen Adern und Blattränder sind glatt bis gesägt-gezähnt und meist gewellt.

 

Blüten von S. nigrum var. guineense entsprechen in ihrem fünfzähligen Aufbau dem der anderen Nachtschattengewächse und entwickeln sich ständig an den Internodien der jungen Triebe. Sie stehen dabei gruppiert zu 5-7 Stück an einem mehr oder weniger niederhängenden Stiel in Form eines Wickels zusammen. Mit radiärer Anordnung wird die Blüte bis 1,1 cm breit und besteht aus 5 verwachsenen, dunkelgrünen, bis 1 mm langen Kelchblättern, die die gleichzahligen, rechtwinklig abstehenden Kronblätter von weiss- bis violetter Färbung umfassen.

 

An der Basis verwachsen mit der Corolla, stehen 5 gelb bis rötlich-braune Stamina wie ein schmaler, konischer Zylinder aufrecht angelehnt an das oberständige Gynoeceum, woraus sich, meist nach Selbstbefruchtung, als Frucht eine runde Beere mit 2 Karpellen bildet. Entsprechend Varietät erreicht diese 1,2-1,8 cm im Durchmesser und ist von orangener bis schwarzer Färbung. Die hohe Selbstvermehrungsrate von S. nigrum liegt darin begründet, daß die Früchte, entweder schon im grünen und unreifen Entwicklungsstadium, oder aber gleich nach der Reife, zum Abfallen tendieren.

 

Description: Monografie über einige tropische Gemüsearten unter besonderer Berücksichtigung der Blattnutzung_Pic57
Abb. 14. Solanum nigrum var. guineense L.

 

In einer Beere entstehen 20-40 Samen, die von flach-birnenförmiger, aber asymetrischer Gestalt, nicht größer als 2 mm im Durchmesser werden. Das TKG liegt bei 0,5 g. Ein Ansatz, verschiedene Varietäten von Solanum nigrum zu differenzieren, wurden auf der Basis der genetischen Struktur und offensichtlich signifikant damit zusammenhängender morphologischen Ausprägung in der Fruchtfarbe von TANDON (1974) in Indien durchgeführt. Demnach können die natürlichen Populationen von S. nigrum in 3 Kategorien eingeteilt werden:

 

 

Rasse I

Rasse II

Rasse III

Fruchtfarbe

hellblau-

schwarz

orange-rot

purpur-schwarz

Chromosomensatz

n = 12

n = 24

n = 36

Tab. 15. Klassifizierung natürlicher Populationen von Solanum nigrum in Indien (TANDON, 1974).

 

In Nigeria unterscheidet EPENHUIJSEN (1974) zwei Formen mit den Volksnamen "Odu" und "Ogunmo" entsprechend ihrem unterschiedlichen Habitus:

 

Varietät                   

Höhe

Spross

Blatt

Blüte

Frucht

Samen

"Odu"

bis

75 cm

schlank,

wenig aufrecht

schmal-eiförmig

bis lanzett-

förmig

0,9 cm

Durch-

messer

bis 1,8 cm

Durch‑

messer

< 2 mm

"Ogunmo"

bis

90 cm

kräftig,

nur leicht

biegend

breit-oval

1,1 cm

Durch-

messer

bis 1,5 cm

Durch‑

messer

2 mm

Tab. 16. Klassifizierung von Solanum nigrum in Nigeria (nach EPENHUIJSEN, 1974)

 

2.5.3. Standortansprüche

 

Da Solanum nigrum var. guineense zumeist als Wild- oder Unkrautpflanze angesehen wird und nur gelegentlich oder lokal begrenzt kultiviert wird, finden sich in der Literatur nur wenige Angaben über Ansprüche an die Standortbedingungen: In Java von den Tiefebenen bis in die Höhenlagen angesiedelt, verträgt S. nigrum var. guineense auch leicht schattige Lagen und wächst wild besonders auf Feldern, ungenutzten Flächen sowie an Strassen- und Gewässerrändern (OCHSE, 1977). In Westafrika ein gewöhnliches Unkraut, sind gut nährstoffhaltige und humusreiche Böden essentiell für gute Blatterträge, da Bodenarmut zu frühzeitiger Blüte und geringem vegetativen Wachstum führt (EPENHUIJSEN, 1974). Sehr gut resistent gegen hohe Niederschlagsmengen aber empfindlich gegenüber Trockenperioden, findet Solanum nigrum daher vornehmlich Verbreitung in den tiefliegenden, küstennahen Wäldern mit jährlichen Niederschlägen z.T. über 2.200 mm (Südwest-Ghana; DICKSON, 1980).

 

2.5.4. Physiologie

 

Eine Eigenschaft der Nachtschattengewächse ist die artspezifisch unterschiedlich stark ausgeprägte Entwicklung von Alkaloiden verschiedener chemischer Strukturen. So enthalten die in den Tropen beheimateten Species von S. nigrum besonders in den unreifen Früchten und Blättern Glykoalkaloide, die sich bei Genuss in einem bitteren Geschmack äussern. Die Varietät "guineense" aus dem westafrikanischen Raum wird in dieser Hinsicht u.a. von MARTIN (1979) als Ausnahme bezeichnet. Dennoch scheint es angebracht, durch Probieren von kleinen Mengen, nicht bittere und damit ungiftige Herkünfte zu selektieren, wenn die hohen Blatterträge dieser Specie als Gemüse genutzt werden sollen.

 

2.5.5. Kultivierung

 

Vermehrung

Das geringe TKG von 0,5-1,0 (Herkünfte!) und Probleme bei Ernte und Lagerung erschweren eine gezielte generative Weitervermehrung von Solanum nigrum var. guineense. Dennoch findet eine breitwürfige Direktsaat bei DUPRIEZ (1989) Erwähnung, wobei gleich nach dem Auflaufen (5-8 Tage) ausgedünnt werden sollte. Ansonsten wird bei der Jungpflanzenanzucht in Saatbeeten oder -kisten mit 1-2,5 cm Abstand ausgesät, und nach circa 3 Wochen bei Erreichen einer Pflanzenhöhe von 5-6 cm (EPENHUIJSEN, 1974), oder erst später bei 9-12 cm grossen Pflanzen (RICE, 1987), auf das Feld ausgepflanzt.

 

Den Pflanzabständen ist dabei grosse Beachtung zu schenken, da die Einzelpflanzen bei zu geringen Standweiten um das Wasserangebot konkurrieren, zu große Weiten aber Unkrautwuchs und Evaporation durch zu geringe Bodenbeschattung induzieren. Optimale Abstände sind herkunftsspezifisch und werden in der Literatur mit 15-30 cm (EPENHUIJSEN, 1974, DUPRIEZ, 1989) aber auch mit 60·45-50 cm (RICE, 1987) angegeben.

 

Stecklingsvermehrung ist bei S. nigrum var. guineense grundsätzlich möglich, wenn auch empfohlen wird, nur Material von den Haupttrieben mit einer Länge von 20-30 cm zu entnehmen (DUPRIEZ, 1989). Dies könnte in einem Arbeitsgang mit dem, auch bei den anderen Anzuchtmethoden empfehlenswerten, Stutzen geschehen. Bei der Entnahme von einem Steckling pro generativ vermehrter Mutterpflanze reduziert sich so der Saatgutbedarf der Grundkultur um 50%, die Flächen werden besser ausgelastet und der Arbeitsaufwand für Unkrauthacken ist geringer. Ausserdem scheint die vegetative Vermehrung höhere Blatterträge zu ermöglichen.

 

Mischkultur

Auf die ertragsmindernden Rückwirkungen von gemischten Kulturformen wurde bereits hingewiesen, trotzdem sind diese vielfältigen Verfahren in den tropischen Hausgärten von Bedeutung. In Kombination mit Stärkepflanzen werden verschiedene Blattgemüse abgeerntet, bevor die Knollenfrüchte sie zu sehr beschatten würden. Speziell für Solanum nigrum var. guineense gilt die Empfehlung, nur Kulturen mit geringem Wasserbedarf und lichtdurchlässigem Blattwerk, wie z.B. Mais, in der Mischkultur zu verwenden.

 

weitere Kulturarbeiten

Sollen die vorgezogenen und ausgepflanzten Bestände nicht durch Stecklingsentnahme weitervermehrt werden, soll frühzeitig auf maximal 5 cm Höhe gestutzt werden, um eine dichte seitliche Verzweigung anzuregen. Dem hohen Wasseranspruch ist durch eventuell notwendig werdende Bewässerung zu entgegnen, Mulchen und Unkrauthacken sind grundsätzlich notwendige Massnahmen für eine erfolgreiche Kultur. Nach einigen Erntegängen empfiehlt sich auch bei S. nigrum var. guineense der Verjüngungsschnitt bis auf Bodenniveau. N-haltige Düngemittel in regelmässigen Gaben, besonders nach den Erntegängen und Ausbrechen von Blütenständen der photoperiodisch unsensiblen Pflanze, haben darüber-hinaus stimulierende, aber noch weitgehend unerforschte Einflüsse auf das vegetative Wachstum.

 

2.5.6. Ernte und Ertrag

 

Die erste Ernte bei Solanum nigrum var. guineense setzt bei einer Pflanzenhöhe von 20-30 cm ein, wenn das Material nicht zur vegetativen Stecklingsvermehrung dienen soll. Entsprechend Herkunft sind 5-8 Erntegänge in einem Zeitraum von 6-8 Wochen, ungefähr 8-16 Wochen nach Kulturbeginn möglich. Die Blätter werden dabei mit den jungen Trieben geschnitten, bevor sich erste Blüten gebildet haben. Angaben zur Kultur und zu den Erntemengen sind in Tab. 17. zusammengefasst:

 

Saatgut-

bedarf

Kulturmethode

Pflanzen-

endabstand

Pflanz-

dichte

Kultur-

dauer

Ernte-

dauer

Ertrag

0,5-1,0

kg/ha

Direktsaat

mit Ausdünnen

60 · 45-50

cm

36 T.

Stk/ha

60-110

Tage

40-60

Tage

100

dz/ha

Vorzucht mit

Pflanzung

15-30 · 15-30

cm

90

Tausend

Stk/ha

120-140

dz/ha

Stecklings‑

vermehrung

Tab. 17. Kulturdaten von Solanum nigrum var. guineense (nach: EPENHUIJSEN, 1974; RICE, 1987 und DUPRIEZ, 1989).

 

2.5.7. Saatguterzeugung

 

Die Ernte der Früchte zur Saatguterzeugung ist problematisch, obwohl enorme Erträge möglich sind. Die kleinen Beeren enthalten 20-30 Samen und reifen an der Infloreszenz nur ungleichmässig aus. Regelmässige Erntegänge 12-16 Wochen nach Aussaat sind aber auch deswegen nötig, da schon unreife Früchte abfallen können. Zu enge Pflanzabstände, besonders bei Herkünften mit niederliegenden Trieben, erschweren zusätzlich die Arbeiten im Bestand. Dennoch sind bei Standweiten von 60-90 cm (entspr. 27000 PfL/ha) ungefähr 700 kg/ha Saatgut (26 g/Pfl.) aus 170 dz/ha Früchten zu ernten (EPENHUIJSEN, 1974). Die durch das Fruchtfleisch dunkel gefärbten Samen sind z.B. mit verdünnter Bleiche sorgfältig zu reinigen, da es ansonsten vor einer späteren Aussaat nötig sein kann, die Samenruhe durch Einsatz verschiedener Massnahmen (z.B. Gibberellin in 200 ppm Konzentration über 24 Stunden im eigenen Versuch) zu brechen.

 

2.5.8. Krankheiten und Schädlinge

 

Die Wildpflanzen von Solanum nigrum var. guineense sind im allgemeinen unempfindlich gegenüber Krankheiten und Schädlingen, obwohl im Anbau folgende Pathogene beobachtet worden sind:

 

Pathogen

Beschreibung

Schädigung

Bekämpfung

1. Schädlinge

 

 

 

Aphis fabae

"black aphid"

1,2 mm lang;

gelblich grün bis

schwarz

saugen in Gruppen an

der Blattunterseite;

Blätter rollen sich

ein und welken;

junge Sprosse ent‑

wickeln sich nicht,

Pflanzen sterben ab

Insektizide

Bemisia tabaci

"tobacco white fly"

weisse, vierflügelige

Fliege

Larve und Adulti;

saugen Blattsaft;

Blattfall;

Virusüberträger

Insektizide

Epilachna hirta

Käfer, der nur leichte

Schäden verursacht

 

Insektizide

Zonocerus variegatus

"variegated

grasshopper"

3,5 cm; dunkelgrün mit

schwarzen, gelben und

orangen Flecken;

unangenehmer Geruch

Blattfrass;

besonders an Keim‑

lingen

Insektizide

Podagrica sjostedti

"leaf beetle"

Elytren: glänzend

dunkelblau;

Kopf, Thorax u. Unter-

seite: braun;

3,5 mm lang

Adulti:       fressen Löcher

in Blätter;

Larve:      an Wurzel;

ohne grosse Schäden

Frass an grünen Kapseln

tolerante

Spezies

P. uniforma

Elytren: braun

scheinend

2. pilzliche

Erkrankungen

 

 

Cladosporium

oxisporum

"leaf spot"

gelbe Flecken auf der Blattoberseite;

Fungizide

grün-grauer Schimmel auf der Blattunterseite;

Blattfall und eventuell Absterben der gesamten

Pflanze

3. Virosen

 

 

"yellow vein

clearing virus"

Blätter verfärben sich gelblich-grün,

ausgenommen an den Hauptblattadern;

eventuell von "Weisser Fliege" übertragen

Entfernen infi‑

zierter Pflanzen;

Kontrolle der

"Weissen Fliege"

Tab. 18. Wichtige Schädlinge und Krankheiten von Solanum nigrum var. guineense (nach EPENHUIJSEN, 1974 und RICE, 1987).

 

2.5.9. Sonstige Nutzungsmöglichkeiten

 

Mit regionalen Unterschieden in der typischen Verwendungsweise von Solanum nigrum var. guineense werden nicht nur Blätter und Früchte (unreif oder reif) als Gemüse oder Gewürz verzehrt, sondern auch die Blüten dienen als bitteres Gewürz für Saucen. Der aus den Blättern extrahierte Pflanzensaft soll medizinische Wirkung gegen Durchfall- und Augenerkrankungen sowie Gelbsucht besitzen (DUPRIEZ, 1989).

 

2.6. Cucurbita moschata (Duch., ex Lam.) Duch., ex Poir (Cucurbitaceae)

 

Description: Monografie über einige tropische Gemüsearten unter besonderer Berücksichtigung der Blattnutzung_Pic63

Abb. 15. Cucurbita moschata mit lokalem Volksnamen in Ghana.

 

2.6.1. Herkunft und Verbreitung

 

Cucurbita moschata entstammt wie andere wichtige Kürbisarten (z.B. C. mixta, C. pepo. C. maxima, C. ficifolia) den Tropen Mittel- bis Südamerikas. Möglicherweise schon seit 10.000 Jahren v.Chr. nach Ende der letzten Eiszeit aufgrund attraktiver Größe und Färbung der Früchte wild gesammelt (SIMMONDS, 1976), belegen archäologische Funde, daß das Gemüse in den alten südamerikanischen Zivilisationen der Azteken, Inkas und Mayas genutzt, aber auch teilweise von mittelamerikanischen Indianerstämmen auf bitterstofffreie Herkünfte selektiert und kultiviert wurde. Im heutigen Mexiko datiert man Funde auf das 5. Jahrtausend v.Chr. (BURKILL, 1985), in New-Mexico wurden die Früchte schon 3.400 v.Chr. von den Tehucán-Indianern genutzt und in Peru grub man Pflanzenteile aus der Zeit 3.000 v.Chr. aus (HERKLOTS, 1972). Von besonderem Interesse ist die Kultivierung einiger Primitivformen von Cucurbita moschata in den feuchtheißen Everglades (Florida) durch die dortigen Ureinwohner, die Seminoles. Ausgrabungen von Schalenresten und Samen werden hier auf 1.500-2.000 Jahre vor unserer Zeitrechnung datiert. Mit dem Anspruch, das wahre genetische Ursprungsgebiet von Cucurbita moschata zu sein (ERWIN, 1955), kultivieren die Seminoles den Moschuskürbis extensiv besonders an den Rändern von Sümpfen und Zypressenwäldern. Als wichtigste Kürbisart in Zentralamerika steht in dieser Region wie auch in Südostasien heutzutage der Verzehr von Früchten und Samen im Vordergrund. Vornehmlich in den tropischen Tiefländern kultiviert man Cucurbita moschata gewöhnlich nur in kleinem Umfang zum lokalen Verbrauch, obwohl man den Moschuskürbis in fast allen Gärten, unabhängig ob Hausgarten oder Gemüsebaubetrieb, finden kann. Die jungen Sprosse und Blätter werden in SO-Asien nur sekundär genutzt (OCHSE, 1977), in Westafrika und speziell in Nord-Ghana ist die Verwendung als Blattgemüse hingegen von grösserer Bedeutung (BURKILL, 1985).

 

2.6.2. Morphologie

 

Die kräftige, annuelle Kletterpflanze aus der Familie der Cucurbitaceae wächst normalerweise kriechend auf dem Boden.

 

Die Stengel sind kräftig und dick, hellgrün gefärbt, im Querschnitt fünfkantig und äusserlich längsverlaufend gerillt. Bei Längen bis zu (5-) 25 m ist die dichte und rauhe Behaarung, die ebenso an Blättern und Blüten vorhanden ist, ein wichtiges Unterscheidungsmerkmal zu anderen Kürbisgewächsen. Bei Zerdrücken des Sprosses entsteht durch Oxidation an der Luft ein übler Geruch.

 

Die wechselständig stehenden Blätter ohne Stipulen sind einfach und meist breit-oval aber kaum gelappt. Die Basis greift weit um den langen, kräftigen Stiel (4-30 cm lang, 0,5-1,0 cm dick), der ebenso wie der Sproß dicht behaart und von vielen Rillen überzogen ist. Hell- bis dunkelgrün gefärbt, hat die Oberfläche einen leichten Glanz und ist auch besonders hier dicht mit feinen Haaren überzogen. Die Grösse ist entsprechend Herkunft sehr variabel, wobei das Blatt mit 7-35 cm ungefähr genauso lang wie breit ist. An der Basis noch grob gesägt oder gezähnt, sind die Blattränder zum Ende hin dichter gezähnt und mit Drüsen besetzt. Die hellgrüne Nervatur kann entweder gleichmässig 5-9-zählig sein, oder das Blatt wird von einer mittleren und zwei seitlichen Hauptnerven, die sich zum Blattrand hin wiederholt verzweigen, durchzogen. Zwischen den Verzweigungen sind weisse Flecken typisch für die älteren Blätter von Cucurbita moschata. Neben den Blättern entspringen sich 3-4-mal verzweigende Blattranken an festen, 1,5-7,0 cm langen, sogenannten Rankenträgern. Insgesamt 10-40 cm lang, sind sie von hell- bis dunkelgrüner Färbung und dicht mit einem weissen Haar überzogen.

 

Description: Monografie über einige tropische Gemüsearten unter besonderer Berücksichtigung der Blattnutzung_Pic66

Abb.16. Cucurbita moschata (Duch., ex Lam.) Duch., ex Poir.

 

Typisch für Cucurbitaceae ist der eingeschlechtliche Aufbau der Blüten, wobei sich mehr männliche Organe an der monözischen Pflanze entwickeln. Einzeln in den Blattachseln stehend, sind auch sie dicht behaart und erscheinen durch zahlreiche Drüsen punktiert. Der Blütenstiel ist bei der männlichen mit 2-25 cm länger als bei der weiblichen Blüte (2-7 cm) und äußerlich intensiv gefurcht. In ihrem Aufbau fünfzählig, stehen die weiblichen Blüten auf einem deutlich kugelförmigen, unterständigen Fruchtknoten. Die fünf linear- bis lanzettförmig gestalteten Kelchblätter sind von hellgrüner Farbe, beiderseits dicht behaart und z.T. leicht fleischig. Während sie bei der männlichen Blüte bis 5 cm lang und 0,3 cm breit werden, sind sie bei der weiblichen Blüte bis 6 cm lang und 3 cm breit.

 

Die verwachsene Corolla der radiären Blüten besteht aus fünf sternförmig auseinanderstehenden Kronblättern, die gleichfalls behaart, an der Basis von hellgelber Färbung und zu den Enden hin orange- bis pinkfarben sein kann. Bei der weiblichen Blüte 7-15 cm lang, werden sie bei der männlichen Blüte nur 2-3 cm gross. Die Gesamtgröße von männlicher und weiblicher Blüte reicht von 7-8 bzw. 12-20 cm im Durchmesser.

 

 Description: Monografie über einige tropische Gemüsearten unter besonderer Berücksichtigung der Blattnutzung_Pic69
Abb. 17. Blüten von Cucurbita moschata.

 

Das dreizählige Gynoeceum der weiblichen Blüten ist verwachsenblättrig mit dicken, tief eingeschnittenen Narben dunkeloranger Färbung (1,2-2,0 cm Lange) auf kurzen Griffeln. Die fünf Stamina in der männlichen Blüte (insg. 2-3 cm lang) sind in Form einer Synandrae in Gruppen (2+2+1) miteinander verwachsen und enden in 1,5-2,5 cm langen, dicken Antheren. Nach der Befruchtung entwickelt sich als Frucht eine fleischige Panzerbeere mit vielen Samen in drei Karpellen. Verbindungsglied zwischen dem festen Fruchtstiel und der Frucht ist ein kräftiger, fünfrandiger Pedunkulus, der in seinem Habitus ein Unterscheidungsmerkmal verschiedener Cucurbitaceae ist.

 

Mit sehr variabler Farbe und Grösse sind die Früchte meist von lanzettförmiger bis elliptischer Form und äußerlich mehr oder weniger stark längsverlaufend eingefurcht. Innerhalb der weichen Schale reift ein festes, wasserarmes Mesokarp von gelatinöser Konsistenz heran, dessen hoher Karotingehalt die dunkelgelbe Färbung begründet.

 

Description: Monografie über einige tropische Gemüsearten unter besonderer Berücksichtigung der Blattnutzung_Pic70
Abb. 18. Fruchtformen von Cucurbita moschata.

 

Die zahlreichen, rauhen Samen sind weiß bis hellbraun gefärbt, in ihrer Form spitzoval abgeflacht und von einer breiten, doppelrandigen Reissnaht, die von der schrägen Spitze bis zum flachen Ende verläuft, überzogen. 13-20.7-12 cm groß, enthalten sie 40-50% Öl und 30% Protein. (HERKLOTS, 1972; BRÜCHER, 1977; OCHSE, 1977 und TINDALL, 1983).

 

2.6.3. Standortansprüche

 

Die klimatischen Verhältnisse der genetischen Ursprungsgebiete von Cucurbita moschata in Mittelamerika entsprechen denen der feuchten, tropischen Tiefländer bis maximal 600 m Meereshöhe. Dennoch wird der Moschuskürbis in den Tropen bis 2.000 m Höhe (OOMEN, 1978) und im subtropischen Klima bis 1.200 m (ENGELS, 1986) ü.N.N. angebaut. Da Cucurbita moschata im Vergleich zu anderen Cucurbitaceae-Spezies sehr hitzetolerant ist, aber empfindlich auf Trockenperioden reagiert, werden Anbaugebiete mit ausgesprochenen Regenzeiten, wie beispielsweise die Zonen des asiatischen Monsunregens, für eine erfolgreiche Kultur empfohlen. Photoperiodisch unsensibel, stellt der Moschuskürbis hohe Anforderungen an die Strahlung, wobei nur leichte Schattierung vertragen wird. Werden die Pflanzen ohne Unterstützung, also kriechend auf dem Boden kultiviert, ist der grosse Raumanspruch der Einzelpflanze zu beachten. Böden sollen fruchtbar sein und sich durch einen hohen Gehalt an organischer Substanz auszeichnen. Diesbezüglich werden oft Komposthaufen o.ä. als Aussaatstellen gewählt (HERKLOTS, 1972).

 

2.6.4. Züchtung und Sorten

 

Da Cucurbita moschata meist zur Gewinnung der Früchte kultiviert wird, stehen auch Züchtungsanstrengungen unter diesem Vorzeichen. In der Kreuzungszüchtung stehen (1.) Hybridisierungen mit anderen wichtigen Cucurbitaceae-Arten wie C. pepo, C. mixta oder C. maxima und (2.) Kreuzungen mit wilden Varianten im Vordergrund.

 

Ein Ziel interspezifischer Kreuzungen von C. moschata mit z.B. C. pepo ist die Erzielung einer für die Fruchtgewinnung wichtigen Buschform wie bei den beliebten Zucchinis, ein anderes die Übertragung der wertvollen Insektenresistenz von Cucurbita moschata. Die Handhabung der Kreuzungstechnik wird im allgemeinen als gut bezeichnet, da die Blüten recht gross, eingeschlechtlich und schon vor dem Aufblühen diesbezüglich deutlich zu unterscheiden sind. Der Einfluss von störenden genetischen Barrieren bei diesen Kreuzungen wird unterschiedlich bewertet: BRÜCHER (1977) betont, dass sich die Bivalente fast vollkommen paaren lassen und sich nach zu 96% regelmässig verlaufenden Reifeteilungen fertile Nachkommen entwickeln. SIMMONDS (1976) sieht ein Hauptproblem bei Kreuzungen z.B. mit C. maxima in der unökonomischen Produktion von Samen in den Früchten und sieht grössere Chancen in der Kombination der Kulturform mit wilden Herkünften. Als Ziele werden hier die Übertragung der Neigung zu hohem Fruchtansatz und der morphologische Eigenschaft der Samen, keine harte Schale auszubilden, angesprochen. Leider steht man vor dem Problem, daß neben den erwünschten positiven, auch negative Eigenschaften, wie der Gehalt an Bitterstoffen, im gleichen Masse mitvererbt werden. Ein weiterer Weg in der Züchtung ist die Domestikation wilder Varianten, deren meist bittere Früchte Samen mit hohem Öl- und Eiweissgehalt enthalten.

 

Aus dem Angebot wohl sehr zahlreicher lokaler Sorten seien hier zwei ökonomisch wichtige Züchtungen erwähnt: In Neuseeland scheint die Sorte "Waltham" (GRANT, 1989) und in Florida die Sorte "La Primera" (MAYNARD, 1989) im Anbau von Bedeutung zu sein.

 

2.6.5. Kultivierung

 

Direktsaat

In der Regel wird Cucurbita moschata im Feldanbau ohne Unterstützungsmassnahmen, also kriechend am Boden kultiviert. In Bodenrillen oder einzelnen Löchern (2 cm tief) werden dabei 5-7 kg/ha Saatgut nach verschiedenen System ausgesät: In der gleichmässigen Reihensaat mit Einzelablage variieren Abstände zwischen und in den Reihen von 2-3 m, bei einer anderen Anbaumethode werden Gruppen von 2-3 Pflanzen mit 15 cm Abstand in der Gruppe und 2,5-3,0 m zwischen den Gruppen angezogen (HERKLOTS, 1972). Die von DUPRIEZ (1989) beschriebene Dippelsaat von 2-3 Samen pro Saatstelle scheint ebenfalls praktikabel zu sein, obwohl diese Kulturform allgemein oft kritisiert wird (z.B. POCHA, 1990). Herkünfte mit buschigem Habitus (z.B. bei C. maxima) werden entsprechend dichter (20.60-100 cm) ausgesät (RICE, 1987).

 

Jungpflanzenanzucht

Da Jungpflanzen von C. moschata nicht pikiert werden können, müssen sie in Einzelgefäßen oder Erdtöpfen angezogen werden. Günstigste Methode der Anzucht ist die Aussaat in kleinen Töpfen, wobei die Sämlinge einige Zeit nach dem Auflaufen (Dauer: 10 Tage) in grössere Container umgetopft werden (HERKLOTS, 1972). Der Anzuchtort sollte hell und luftig, aber geschützt vor starken Winden sein. Erreichen die Pflanzen 8-10 cm Höhe und haben ihr zweites echtes Laubblatt entwickelt, können sie mit Wurzelballen auf gleiche Abstände wie bei der Direktsaat verpflanzt werden.

 

Vegetative Vermehrung

Die Möglichkeit der vegetativen Vermehrung von Cucurbita moschata durch Stecklinge von bodenständigen Haupttrieben gut entwickelter Sämlinge wird in der Literatur erwähnt (DUPRIEZ, 1989), scheint aber wenig verbreitet und noch weniger untersucht worden sein.

 

Weitere Kulturarbeiten

Gerade gekeimte Sämlinge oder verpflanzte Jungpflanzen können auf dem Feld mit seitlich daneben aufgestellten Steinen oder durch darübergestülpte Körbe vor starken Winden geschützt werden. Sind die Pflanzen gut angewachsen, befestigt man Triebe häufig mit Draht oder Schnüren dicht am Boden, um so eine Hilfe für die Ranken und einen Schutz der gesamten Pflanze vor Windbruch zu schaffen (HERKLOTS, 1972). Vorsorglich in Reserve gezogene Pflanzen sollten Lücken durch Ausfälle in den Feldbeständen schliessen. Düngeempfehlungen für C. moschata können nur sehr allgemein mit 1,1 dz/ha N bzw P2O5 und 1,7 dz/ha K2O angegeben werden (RICE, 1987), wobei vor Direktsaat oder Pflanzung eine "Startlösung" gegeben werden soll und man in Abständen von 10-14 Tagen, am besten nach den Erntegängen, stickstoffbetont nachdüngt.

 

Reicht die Kulturzeit von insgesamt 4-5 Monaten in eine Trockenperiode hinein, so muss regelmässig beregnet werden. Eine leichte Schattierung der Pflanzen bewirkte in der Praxis eine günstige Beeinflussung der Blattentwicklung und verzögerte die Induktion der Pflanzen. Durch folgende Massnahmen kann der Anbauer die Entwicklung von Blattmasse günstig beeinflussen:

 

-   Pflanzabstände nicht zu eng wählen

-   kein Stutzen in der Jugendphase und keine vorzeitigen

Erntegänge

-   Ernte der großen, verzehrbaren Blüten

 

Sonstige Kulturformen

Neben der Feldkultur sind für die Kürbisgewächse auch andere Anbauformen geeignet. Häufig finden die Pflanzen eine Unterstützung durch Gitter (z.B. aus Bambus), Gebäude, Zäune, Bäume und dergleichen und dienen dann möglicherweise zusätzlich als Schatten-pflanze. In Mischkulturen, z.B. mit Mais werden Unkräuter unterdrückt und der Boden vor starken Regenfällen und Überhitzung durch Sonnenstrahlung geschützt.

 

2.6.6. Ernte und Ertrag

 

Beginnend ungefähr 90 Tage nach Direktsaat oder Pflanzung, können über zwei Monate regelmässig einzelne Blätter an den Stielen oder ganze junge Triebe geschnitten werden. Bei älteren Blättern ist es vor dem Verzehr meist nötig, die harten Fasern aus den Stielen zu entfernen. Die gleichen Erntezeiten gelten auch für die Früchte, wenn diese an der Pflanze bis zur Reife belassen werden. Geerntet werden können 50 dz/ha Blattmasse (OOMEN, 1978) und/oder ca. 3-6 Früchte/Pfl (RICE, 1987). Obwohl die Früchte gekocht auch unreif verzehrt werden können, muß beim Anbau zur Gewinnung der sehr nahrhaften Samen, die volle Fruchtreife abgewartet werden.

 

Saatgut-

Kulturmethode

Pflanzen-

Pflanz-

Kultur-

Ernte-

Ertrag

bedarf

 

endabstand

dichte

dauer

dauer

 

 

Direktsaat

 

1100-

150

60

20-100

5-7

 

2-3-2-3 m

2500

Tage

Tage

 

kg/ha

Vorzucht mit

 

Stk/ha

 

 

(x:50)

 

Pflanzung

 

 

 

 

dz/ha

Tab. 19. Kulturdaten von Cucurbita moschata (nach: HERKLOTS, 1972; OOMEN, 1978 und TINDALL, 1983).

 

2.6.7. Saatguterzeugung

 

Aufgrund hohem Korngewicht und Vielzahl der in einer Frucht gebildeten Samen, ist die Saatguterzeugung im allgemeinen unproblematisch. Dienen spezielle Parzellen zur Samenerzeugung, so sollten diese in mindestens 1.000 m Abstand zu anderen Cucurbitaceae angelegt werden, damit Arten- und Sortenreinheit der insektenbestäubten Pflanzen gewährleistet wird. Da die Früchte bis zur Ausreife der Samen an den Pflanzen verbleiben müssen, ist der Vermehrungstermin so zu wählen, dass die Phase der Frucht- und Samenreife in eine niederschlagsarme Periode fällt (DUPRIEZ, 1989). In Westafrika würde man die Mutterpflanzen ungefähr zwei Monate nach Beginn der sommerlichen Regenzeit also Juni/Juli aussäen, so daß sich die Ausreife der Früchte zu Beginn der winterlichen Trockenzeit (November) vollziehen kann. Nach vollständiger Trocknung der Früchte auf dem Feld können die Samen ohne Probleme entfernt werden und sind ohne besondere Maßnahmen mindestens 6 Monate haltbar.

 

2.6.8. Krankheiten und Schädlinge

 

In der Kreuzungszüchtung ist Cucurbita moschata aufgrund seiner hohen Toleranz gegen Schädigungen durch Insekten von Bedeutung. Dennoch können folgende, bei C. maxima bekannte, Krankheiten und Schädlinge, auch beim Moschuskürbis von Bedeutung sein:

 

Pathogen

Beschreibung

Schädigung

Bekämpfung

1. Schädlinge

 

 

 

Aphis spp.

"aphids"

1,2 mm lang;

gelblich grün bis

schwarz

saugen in Gruppen an

der Blattunterseite;

Blätter rollen sich

ein und welken;

junge Sprosse ent‑

wickeln sich nicht,

Pflanzen sterben ab

Insektizide

Aulacophora spp.

"cucurbita leaf

beetle"

Käfer: gelb

Larve: orange-gelb

Adulti:       zerfrisst

Blätter

Larve: Frass an Wurzeln

und Früchten

Insektizide

Lagria villosa

"leaf-eating beetle"

Käfer: dunkel,

metallisch-braun und

flaumig;

12 mm lang

Blattfrass;

Insektizide

Dacus ciliatus

"lesser melon fly"

Fliege: braun,

8-10 mm lang;

Larve: 10-12 mm lang

Larve: Lochfraß durch

Früchte;

Fruchtfäule

Insektizide

2. pilzliche

Erkrankungen

 

 

Pseudoperonospora

falscher Mehltau: große, gelbe Flecken auf

Pflanzabstände;

spp.

Blattoberseite; blaugrauer Pilzrasen auf

Hygiene;

"downy mildew"

Blattunterseite; Blattfall und gehemmte

Fruchtentwicklung

keine Beregnung;

Fungizide

Alternaria

braune Blattflecken; Blattfall;

Saatgutbeizung

cucumerina

"leaf blight"

"brown spot"

eingesunkene Flecken auf reifen Früchten

 

Tab. 20. Wichtige Schädlinge und Krankheiten von Cucurbita moschata (RICE, 1987).

 

2.6.9. Sonstige Nutzungsmöglichkeiten

 

Blätter, junge Triebe und Blüten, als Gemüse verzehrt, haben unter den Pflanzenorganen den vergleichsweise höchsten Gehalt an Karotin und Eiweiss, jedoch wird Cucurbita moschata meistens zur Gewinnung der Früchte und Samen angebaut: Die Früchte sind reicher an Vitaminen, Karotin und Mineralsalzen als andere Kürbisfrüchte und werden im unreifen Stadium gekocht. Bei reifen früchten schält man die weiche Schale ab und verzehrt das Mesokarp roh oder gekocht als Beilage zu verschiedenen Gerichten. In Java werden ganze, unbeschädigte Früchte teilweise bis zu einem Jahr in trockenen Lagern gehalten, bevor man das Fruchtfleisch unter Zugabe von Gewürzen in der nun verhärteten Schale kocht (OCHSE, 1977). Weitere Zubereitungsweisen sind die Verarbeitung zu Kompott, Mixed-Pickles oder Gelee. Die sehr nahrhaften Samen werden roh oder geröstet verzehrt und könnten bei Pflanzenherkünften ohne harte Samenschale wie bei Ölkürbissen zur Ölextraktion genutzt werden.

 

2.7. Momordica charantia L. (Cucurbitaceae)

 

Description: Monografie über einige tropische Gemüsearten unter besonderer Berücksichtigung der Blattnutzung_Pic77

Abb. 19. Momordica charantia L.

 

2.7.1. Herkunft und Verbreitung

 

Die Beschreibung der genetischen Ursprungsgebiete des Bitterkürbisses, Momordica charantia, erfolgt in der Literatur uneinheitlich: BRÜCHER (1977) sieht die genetischen Ursprünge der 40-50 Spezies innerhalb der Gattung Momordica in Asien, GRUBBEN (1977) beschreibt Indien als primäres und China bzw. Südostasien als sekundäres Entstehungszentrum von Momordica charantia. FRANKE (1985) vertritt die Meinung, daß der Bitterkürbis wie eine Reihe anderer Cucurbitaceae den Tropen Amerikas entstammt. Zutreffender scheint die These von TINDALL (1983) und BURKILL (1985) zu sein, daß M. charantia ursprünglich aus den Regenwäldern in den Tiefländern Westafrikas mit westlicher Grenze im Senegal und östlicher Grenze in Westkamerun kommt. Man kann dies zum einen mit der Übereinstimmung von Standortansprüchen der Pflanze und vorhandenen klimatischen Verhältnissen in Westafrika begründen, zum anderen ist aber auch die Tatsache wichtig, dass man offensichtlich einige wilde Varianten oder Urformen in den Waldregionen finden kann. Zudem ist Momordica charantia "eine der gewöhnlichsten Kürbisgewächse in Afrika" (BURKILL, 1985) und wird traditionell auf die vielfältigste Weise genutzt. Im 17. oder 18. Jahrhundert fand die Pflanze wohl Verbreitung nach Amerika (Brasilien) durch den Sklavenhandel, wurde aber wahrscheinlich schon früher in Asien eingeführt, da hier ein langer Prozess der Domestikation, der sich heute in zahlreichen Handelssorten dokumentiert, hinter ihr liegt.

 

Die derzeitige wirtschaftliche Bedeutung im Weltanbau kann mit der Anzahl an Forschungsinstituten mit Vorhaben in Momordica charantia und deren Verteilung in der Welt dargestellt werden (Tab. 21).

 

Land

Anzahl/

Institute

Land

Anzahl/

Institute

Australien

1

Japan

10

Brasilien

3

Kanada

2

China

6

Kuba

2

Costa Rica

1

Mexiko

2

England

1

Niederlande

2

Frankreich

1

Pakistan

2

Hongkong

6

Philippinen

3

Italien

1

Sri Lanka

3

Indien

56

Taiwan

3

Indonesien

1

Thailand

1

Israel

1

USA

5

Tab. 21. Institute mit Forschungsvorhaben in Momordica charantia (DUSINK, 1991)

 

2.7.2. Morphologie

 

Im Vergleich zu Cucurbita moschata ist der Aufbau von Momordica charantia im ganzen schlanker und die Pflanze wächst im Naturraum kletternd auf Bäumen, Büschen usw.. Die fünfkantigen Stengel sind dünn, erreichen 1-5 m Länge, sind wie die anderen Pflanzenteile nur schwach oder gar nicht behaart und stinken bei Zerdrücken. Blätter stehen wechselständig und ohne Stipulen auf 3-10 cm langen Stielen an den Stengeln. Sie sind tief 5-9 fach gelappt, 5-17 cm im Durchmesser, von blassgrüner Farbe und von 3-9 durchscheinenden Nerven durchzogen. Neben den Blättern entspringen an festen Stielen unverzweigte, 15-30 cm lange Blattranken gelblichgrüner Farbe.

 

Die blassgelben, eingeschlechtlichen Blüten an der monözischen Pflanze stehen einzeln in den Nodien und sind hinsichtlich Geschlecht nur schwer zu unterscheiden: Die männlichen Organe haben vergleichsweise kürzere und dickere Blütenstiele, Kelch und Krone entsprechen aber praktisch denen der weiblichen Blüte. Die fünf Kelchblätter werden je 1,0-1,3 cm lang und bilden im unteren Teil eine kurze, dicke und gelblichgrüne, ungefähr 0,5 cm lange Röhre. Fünf Petalen sind von lanzettförmiger bis elliptischer Gestalt, miteinander verwachsen und an den Rändern glatt und ungeteilt. Mit 1,5-2,0 cm Länge sind sie nur wenig grösser als bei der weiblichen Blüte. Bei den drei verwachsenen Stamina stehen dicke, weisse Antheren auf einem kurzen Filament. Sepalen und Petalen der weiblichen Blüte sind im Mittel 0,3 bzw. 1,6 cm lang und umgeben das dreizählige, verwachsenblättrige Gynoeceum von blassgelber Farbe. 2,5-3,0 cm in der Lange, folgt jeweils auf einem kurzen Griffel eine dicke Narbe.

 

Die Frucht ist eine vielsamige Panzerbeere an einem langen Stiel. Da sie oberflächlich von mehr oder weniger vielen, verschiedenförmigen Auswüchsen überzogen ist, bekommt sie die ihr typische "warzige" Gestalt. Bei Ausreife erreicht sie eine orange Schalenfärbung, die mit weissen Flecken übersät ist. Das spitze Ende der 5-30 cm langen Frucht reisst nach diesem Zeitpunkt sehr leicht in drei Teile auf, wobei das blutrote (Karotin!) Mesokarp mit den innenliegenden Samen freigegeben wird.

 

Die Samen sind 1,0-1,5 cm lang, 0,6-0,9 cm breit und von verlängert eiförmiger Gestalt. Äusserlich leicht warzig, enthalten sie bei einem TKG von 60 g rund 32% Öle. (nach HERKLOTS, 1972; OCHSE, 1977 und TINDALL, 1983).

 

Description: temp_Pic1
Abb.20. Momordica charantia L.

 

2.7.3. Standortansprüche

 

Momordica charantia entstammt den feucht-heissen tropischen Tiefländern bis 500 m Meereshöhe und fruchtet in diesem Klimaraum während des ganzen Jahres. In äquatorferne-ren Regionen kann das Wachstum in den strahlungsarmen Jahreszeit reduziert sein (MORTON, 1967). In Indien werden besonders Landesteile mit extrem hohen Niederschlagsmengen (125-375 mm/Monat) für die Kultur empfohlen, wenn auch 185-200 mm/Monat als Obergrenze für einen wirtschaftlichen Fruchtertrag gesetzt werden (POCHA, 1990). Mangelnder Fruchtansatz durch exzessive Regenfälle scheint aber im Anbau als Blattgemüse nicht ungünstig zu sein. Niederschlagsärmere Regionen werden nur bei Aussaat zu Beginn der Regenzeit oder im Bewässerungsanbau empfohlen. In den tropischen Hochländern oder Subtropen reagiert Momordica charantia auf winterliche Kälte mit dem Absterben der oberirdischen Pflanzenteile aber Überleben der ausdauernden Wurzeln mit erneutem Austrieb im Frühjahr. Typische Standorte sind Kompost- und Abfallhaufen, sowie Zäune, Gitter, Gebäude und dergleichen. Die Kletterpflanze ist ein unerwünschtes Unkraut z.B. in Zitrusanlagen, wo ohne ständigen Einsatz von Blattherbiziden ganze Bäume in wenigen Wochen überwuchert werden können (MORTON, 1967). Erwünschte Eigenschaften von Böden für eine Kultur von Momordica charantia sind gute Wasserhaltefähigkeit und hoher Anteil organischer Substanz (TINDALL, 1983).

 

Anbauversuche des Bitterkürbisses im gemässigten europäischen Klima zeigten z.B. in Frankreich, daß ein ungeschützter Anbau nicht möglich ist (PERON, 1989). Im Rahmen von Untersuchungen zur Diversifikation von Gewächshausgemüse in den Niederlanden kam man zu dem Ergebnis, dass die Kultur selbst in den Sommermonaten trotz Wuchsfreudigkeit einen nur geringen Blütenansatz mit geringen Fruchterträgen brachte (WELLES, 1989). Dennoch werden weitere Anstrengungen in dieser Hinsicht als empfehlenswert betrachtet, da ein gewisses Nachfragepotential von südostasiatischen und afrikanischen Immigranten in Holland zu erkennen ist (HEIJ, 1989).

 

2.7.4. Kultivierung

 

Im wesentlichen entsprechen die Kulturmethoden von Momordica charantia denen von Cucurbita moschata.

 

Aussaat

Sämlinge können nicht verpflanzt werden, daher wird nach Bodenvorbereitung und Grunddüngung (NPK oder z.B. Kuhmist) direkt auf dem Feld in Reihen gedrillt oder eine Dippelsaat mit 2-3 Samen pro Saatstelle durchgeführt. Eine Kulturmethode mit Vorzucht in Kulturgefässen oder Erdpresstöpfen wie bei Cucurbita moschata wäre jedoch auch bei dieser Kultur überlegenswert. Nach dem Auflaufen (rund 2 Wochen nach Aussaat) sollte frühzeitig auf die Endabstände ausgedünnt werden, die entsprechend Sorte bzw. Herkunft und Anbauzweck sehr unterschiedlich sein können: In der Kultur zur Gewinnung der Früchte werden Abstände der Einzelpflanzen mit 0,5-1,2 m angegeben, WELLES (1989) und HEIJ (1989) zeigten jedoch, daß für ungehemmtes vegetatives Wachstum grössere Abstände (z.B. 3,2 m · 0,5 m) vorteilhafter sind. Bei einer Pflanzdichte von nur 1 Pfl/10 m2 wurden im Versuch gar keine Früchte gebildet!

 

Kulturarbeiten

Regelmässige Gaben von Mineral- oder organischen Düngern können in mehreren Gaben auf die Vegetationsperiode verteilt werden. Sollen reife Früchte geerntet oder einzelne Pflanzen der Saatguterzeugung dienen, ist eine Unterstützung wie z.B. in Hongkong durch 2 m hohe Bambusgitter (HERKLOTS, 1972) notwendig, da die Früchte von M. charantia bei Bodenkontakt noch vor der Ausreife faulen und unbrauchbar werden. Als Schutz vor Fruchtfliegen (z.B. Strumeta cucurbitae) umhüllt man in Südostasien die Früchte mit einfachen Papiertüten.

 

2.7.5. Ernte und Ertrag

 

Zur Verhinderung von frühzeitiger Blüte und dadurch gehemmten vegetativen Wachstums, dürfen die Blatternten bei M. charantia zeitlich nicht zu früh einsetzen, ebenso ist ein Stutzen zu unterlassen. Für die Fruchternte beginnt die Ertragsphase wie bei den von den indischen Saatguterzeugern POCHA Seeds Ltd. vertriebenen Sorten "Coimbatore Long" und "Poona Long Green" 60-75 Tage nach der Aussaat und auch OOMEN (1978) gibt für die Blatterzeugung einen gleichen Zeitraum bis Ertragsbeginn an. Anbauversuche im subtropischen Florida belegten eine längere ertragslose Phase von insgesamt vier Monaten (MAYNARD, 1989). In einem Zeitraum von 40 Tagen können rund 50 dz/ha Blatt oder 80 dz/ha Früchte geerntet werden. Spitzenerträge lagen in Taiwan bei 200 dz/ha Früchte in nur 100 Tagen.

 

Saatgut-

Kulturmethode

Pflanzen-

Pflanz-

Kultur-

Ernte-

Ertrag

bedarf

 

endabstand

dichte

dauer

dauer

 

4,0-5,5

Direktsaat

0,5-3,2 ·

2600-

110

40

20-100

kg/ha

 

0,5-1,2 m

40000

Tage

Tage

 

 

 

 

Stk/ha

 

 

(x:50)

dz/ha

Tab. 22. Kulturdaten von Momordica charantia (nach: GRUBBEN, 1977 und TINDALL, 1983).

 

Zum Erntezeitpunkt der Früchte muß erwähnt werden, dass unreife, als Gemüse zu kochende Früchte relativ bitterstofffrei sind. Ausgereiften Kürbisse, die kurz vor der Vollreife geerntet werden da sie sonst leicht aufreissen können, haben jedoch einen hohen Gehalt an Alkaloiden (z.B. Momordicin), aber auch viel Karotin (MORTON, 1967).

 

2.7.6. Krankheiten und Schädlinge

 

Ähnlich wie C. moschata hat auch Momordica charantia nur wenig unter Schädlingsbefall und Krankheitsdruck zu leiden. Treten Schädigungen auf, dann vornehmlich an den Früchten, wie z.B. durch die Fruchtfliege Dacus cucurbitae, deren Befall sich in einer orangen Verfärbung und einem schnellen Verrotten der Früchte äussert (OCHSE, 1977). Ansonsten dürfte Momordica charantia auch von den bei C. moschata auftretenden Pathogenen befallen werden.

 

2.7.7. Sonstige Nutzungsmöglichkeiten

 

In der Nutzung als Gemüse- oder Gewürzpflanze werden Blätter, junge Sprosse, unreife oder reife Früchte sowie unreife Samen geröstet, gekocht oder gebraten verzehrt. In Westafrika, Südostasien und Mittelamerika dient Momordica charantia in der Volksheilkunde, aber auch als in Arzneibüchern eingetragene Droge (z.B. Mexiko), medizinischen Zwecken. Dabei werden Frucht, Wurzel, Blatt und Samen in verschiedenen Reifestadien und sehr unterschiedlichen Aufbereitungsformen zu folgenden Anwendungen genutzt (MORTON, 1967 und BURKILL, 1985):

 

-   Abführmittel / Durchfallmittel

-   Magenmittel

-   Wurmmittel

-   Fiebermittel

-   Potenzmittel

-   Entzündungsmittel

-   Krebsmittel

-   gegen Menstruationsbeschwerden

-   Rheumamittel

-   gegen Geschlechtskrankheiten

-   gegen Schlangenbisse

-   gegen Hämorrhoiden

-   Lebermittel

-   Malariamittel

-   gegen Frühgeburten

-   zur Appetitanregung

-   zur Blutzuckersenkung

-   gegen Hauterkrankungen

-   Kopfschmerzmittel

 

Dass diese Verwendungen regional stark variieren können, kann auch durch die Tatsache belegt werden, daß die Saponine und Alkaloide (z.B. Momordicin) in Blättern, Samen und besonders in vollreifen Früchten manchmal als Insektizid, Pfeilgift oder Tiergift dienen.

 

3. Zusammenfassung

 

In einem ersten allgemeinen Teil dieser Abhandlung wird der Versuch unternommen, die vielen Tausend  Arten tropischer Blattgemüse zu klassifizieren und deren Wert für die menschliche Ernährung herauszustellen. Gleichzeitig werden Gemeinsamkeiten in Anbau, Nachernte und Zubereitung dargestellt. Der zweite spezielle Teil umfasst Monografien der Arten Corchorus olitorius, Hibiscus sabdariffa, Solanum nigrum, Cucurbita moschata und Momordica charantia. Hier werden Herkunft und Verbreitung, Morphologie, Standortansprüche, Physiologie, Kultivierung, Ernte und Ertrag, Saatguterzeugung, Krankheiten und Schädlinge sowie sonstige Nutzungsmöglichkeiten der einzelnen Gemüse beschrieben.

 

Die hier vorgestellten Blattgemüse stellen nur einen sehr kleinen Ausschnitt aus der Vielzahl an tropischen Pflanzen mit essbaren grünen Blättern dar. So werden von MARTIN (1979) 1.470 Pflanzenarten aus 111 Familien beschrieben, deren Habitus von krautigem- bis Baumwuchs reicht. Dennoch können die Monografien der fünf Arten als ein Leitfaden für einen grossen Teil der krautigen Blattgemüse in den Tropen gelten, da sich die Grundzüge von Anbau und Verwendung leicht übertragen lassen.

 

Daß die in den Tropen beheimateten Blattgemüse einen vergleichsweise geringen wirtschaftlichen Wert haben, liegt sicherlich zu einem grossen Teil in der geringen Halt-und Lagerbarkeit begründet, die den Anbau in kleinen Hausgärten als optimale Kulturform erscheinen lässt. Bedenkt man jedoch, mit welchem Aufwand Anstrengungen unternommen wurden und werden, im ernährungsphysikalischen Wert minderwertigere Gemüse aus den gemässigten Breiten an tropische Klimaverhältnisse zu adaptieren, so bleibt zu fragen, ob nicht eine gleichsam intensive Beschäftigung mit tropischen Gemüsen in einer besseren Eignung zumindest eines Teils dieser Arten für einen intensiveren Anbau resultieren würde.

 

So hofft REHM (1984) "... daß der Reichtum an Gemüsen, die in den warmen Ländern das ganze Jahr verfügbar sind, erhalten bleibt ... (und das dies besonders) ... den Blattgemüsen gelten (muss) , die hoffentlich nicht durch Gurken, Tomaten oder rote Rüben verdrängt werden."

 

4. Literaturverzeichnis

 

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